Sonntag, 16. Dezember 2012

Rumer (9.)

Ich schieße wieder und wieder auf die kleinen pelzigen Kreaturen, aber es werden einfach nicht weniger. Sie sitzen zu hundert in den Bäumen und es sieht so aus, als wäre der Sternenhimmel näher gerückt, aber dieses Lichtermeer ist gefährlich.
Gerade als ich zu einem erneuten Schuss ansetze, schreit Livvy wieder laut auf. Ich drehe mich zu ihr um und erkenne, dass ein Leuchthörnchen sich in ihr Bein gekrallt hat und immer wieder und wieder zubeißt. Verfluchte Scheiße!
Ich spanne den Bogen und ziele auf das kleine Mistvieh, dass gerade Hackfleisch aus Livs Unterschenkel macht, aber sie strampelt zu sehr mit den Beinen, sodass die Gefahr aus Versehen Livvy zu verletzen einfach zu groß ist.
>>Verdammt noch mal, Liv! Halt still!<<, schreie ich sie an.
Es kostet sie große Überwindung, das ist deutlich zu erkennen, aber sie hält ihre Beine so ruhig wie möglich. Ich ziele, schieße und treffe das Leuchthörnchen, sodass es Livvys Bein loslässt und leblos zu Boden fällt.
>>Und jetzt geh zurück ins Zelt!<<, befehle ich Liv und schieße auf die Leuchthörnchen in ihrer Nähe, damit sie heil, oder zumindest nicht noch ramponierter, in die Sicherheit des Zeltes kommt.
Sie steht auf und humpelt so schnell es geht rüber. Als sie drin ist wirft sie mir noch einen besorgten Blick zu und schließt den Reißverschluss.
Wenigstens ist sie jetzt in Sicherheit, denke ich und wende mich wieder den anderen Leuchthörnchen zu. Sie springen von den Bäumen. Sechs, nein acht. Fünf von ihnen sind Tod, bevor sie den Boden erreichen. Sie geben schreckliche Quieklaute von sich, wenn sie sterben.
Ich greife nach meinem Köcher. Mist! Nur noch ein Pfeil. Ohne groß nachzudenken, lege ich ihn auf die Sehne und erschieße ein Leuchthörnchen, das gerade auf mich zuspringt. Es schreit fürchterlich, sodass mir die Ohren wehtun, aber die anderen Hörnchen scheint es abzuschrecken, denn es werden immer weniger Lichter in den Bäumen, bis nur noch ein paar wenige übrig sind. Von dieser Entdeckung so abgelenkt, bemerke ich nicht, dass sich ein weiteres Leuchthörnchen auf mich stürzt. Es krallt sich in meinen rechten Oberarm und schlägt dann seine kleinen Zähne hinein. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nicht laut los zuschreien. Dann ramme ich meinen Oberarm mit so einer Wucht, gegen einen Baum, dass es dem kleinen Tier das Rückrat bricht und es tot zu Boden fällt.
Schnell schnappe ich mir einen Stock vom Boden und schlage noch die letzten kampfbereiten Leuchthörnchen in die Flucht. Es sind nur noch fünf und sobald ich sie verjagt habe, sinke ich keuchend zu Boden und begutachte meine Wunde.
Mein gesamter Oberarm ist mit tiefen Schnittwunden übersät, aber diese sind nicht das schlimme daran, denn das Schlimme ist der Biss. Leuchthörnchen tragen ein Gift in sich, dass sie ihren Opfern durch ihre Zähne initiieren. Dadurch wird ihre Beute geschwächt und es fällt ihnen leichter sie zu erlegen.Widerliche Drecksviecher!
Erst will ich ins Zelt, um nach Liv zu sehen, aber sie würde sich nur wieder mehr Sorgen um mich machen, als um sich selbst, wenn sie meine Wunder sieht, also muss ich sie irgendwie selbst versorgen, ohne das sie etwas davon mitbekommt.
Seufzend stehe ich wieder auf und ziehe meine Pfeile aus den toten Leuchthörnchen, die hier überall rumliegen. Dann gehe ich zu einem kleinen Bach, der hier ganz in der Nähe fließt. Dort tauche ich mein Arm hinein und wasche die Wunde aus. Es brennt höllisch, aber ich halte es aus. Danach spüle ich noch meine Pfeile ab und verstaue sie wieder im Köcher. Mit einem Pfeil schneide ich mein Top oberhalb des Bauchnabels ab und verbinde mit dem Stoffstreifen provisorisch meinen verletzten Oberarm. Den Knoten ziehe ich mit der Hand meines gesunden Armes und meinen Zähnen fest.
Dann gehe ich wieder zurück zu unserem Lager. Bevor ich das Zelt betrete, ziehe ich noch meine Jacke an, die ich zum Glück beim Lagerfeuer habe liegen lassen. Ich schließe den Reißverschluss bis obenhin, damit Liv das abgeschnittene Top nicht sieht. Ich atme tief durch un betrete dann das Zelt.
Der Anblick, der sich mir bietet, schnürt mir die Kehle zu. Livvy liegt keuchend und stöhnend in einer Ecke und zittert. Ihr bein ist blutüberströmt.
>>Fuck!<<, fluchte ich, nehme ein Shirt aus meinem Jagdbeutel und renne damit zum Bach, wo ich des mit Wasser tränke. Damit tupfe ich vorsichtig Livvys Bein ab.
Obwohl ich mir Mühe gebe vorsichtig zu sein, schreit sie öfters auf. Es ist aber auch echt scheiße im Dunkeln eine Wunder versorgen zu müssen, vor allem wenn man keine Ahnung hat, wie das geht.
>>Tut mir leid.<<, murmele ich immer wieder.
>>Ist schon okay.<<, flüstert Liv mit rauer Stimmt. >>Nimm etwas Kandarukraut aus meinem Beutel.<<
Verständnislos sehe ich sie an.
>>Die ganz großen Blätter.<<, erklärt sie und schmunzelt etwas.
Ich nehme ihren Beutel und sehe hinein. Gott sein Dank bin ich keine Heilerin geworden! Da sind unglaublich viele verschiedene Kräuter drin, die alle unterschiedliche Farben, Formen und Größen habe.
Vorsichtig nehme ich die größtern Blätter heraus, die ich finden kann und halte sie hoch. Liv nickt schwach.
>>Und was mach ich jetzt damit?<<, frage ich unsicher.
>>Leg sie auch die Wunde.<<, keucht Livvy.
Die ist ja witzig. Ihr ganzer Unterschenkel ist eine Wunde!
So gut es geht bedecke ich alles mit den Blättern und wickel dann einen sauberen Verband um zu, den ich ebenfalls aus ihrem Beutel nehme. Als ich fertig bin seufze ich erleichtert auf. Ich bin zwar super im Töten und Verwunden, aber Heilen ist definitiv nicht meins!
>>Versuch etwas zu schlafen.<<, sage ich zu Liv und stelle überrascht fest, dass sie nicht mehr zittert. Das Kraut scheint verdammt gut zu sein.
Erschöpft lege ich mich hin und versuche dabei nicht meinen verletzten Arm zu belasten, der nach der ganzen Verheilungssache gerade noch schlimmer brennt.
Das ganze Zelt ist voll mit Blut und die Schmerzen sind unerträglich, aber trotzdem schlafe ich ein.

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