Dienstag, 18. Dezember 2012

Rumer (11.)

Vorsichtig mache ich den Stoff, den ich um meinen Arm gewickelt habe, ab. Bei dem Anblick, der sich mir bietet würde ich am liebsten loskotzen, aber ich kann mich gerade noch so zurück halten und wickel den Stoff wieder umzu.
Es sind mittlerweile vier Tage vergangen, seit dem Leuchthörnchenangriff, aber mein Arm sieht eher schlimmer aus anstatt besser.
Wenigstens geht es Livvy schon etwas besser und das Laufen fällt ihr wieder leichter, auch wenn es sie immer noch ziemlich erschöpft. Dadurch schläft sie sehr viel, was für mich den Vorteil hat, dass ich in Ruhe meine Wunde "versorgen" kann, so gut es mir eben möglich ist, denn die Medikamente sind für Liv. Ich will davon nichts haben. Sie braucht sie dringender. Bis jetzt hat das mit dem Verheimlichen recht gut geklappt.
Ich spanne den Bogen und ziele auf ein Kaninchen, aber der Schmerz in meinem Oberarm durchzuckt mich so heftig, dass ich den Pfeil loslasse und er ins Leere geht. Das Kaninchen schreckt auf und verschwindet im Unterholz.
Verflucht! Solange mein Arm in dieser Verfassung ist, kann ich nicht jagen. Und unsere Vorräte sind fast aufgebraucht. Was soll ich denn jetzt machen? Liv braucht genug Nahrung, um so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Gefrustet werfe ich meinen Bogen zu Boden und stöhne genervt.
Dann hebe ich meinen Bogen wieder auf, hänge ihn mir um und versuche meinen Pfeil zu finden. Ich knie mich hin und durchsuche das Dickicht. Der Pfeil scheint wie vom Erdboden verschluckt. Meine Knie und Hände sind schon ganz dreckig und ich habe immer noch nichts gefunden.
Gerade als ich aufgeben will, entdecke ich Spuren. Und zwar keine Tierspuren. Nein, diese hier sind von Menschen. Und sie sind frisch.
Das könnte die Lösung sein. Wenn hier Menschen lang gelaufen sind, lebende Menschen, dann müssen sie Nahrungsmittel haben.
Normalerweise ist es nicht meine Art Pläne zu schmieden, wie ich Menschen beklauen kann, aber besondere Situation erfordern besondere Handlungen. Und da ich nicht jagen kann, bis mein Arm besser wird, ist das die einzige Möglichkeit, die schnell genug ist.
Ich gebe meinen Pfeil auf, denn ich habe ja noch genug und folge den Spuren ein Stück. Sie führen nach Westen, wenn ich mich nicht täusche. In diese Richtung werde ich morgen mit Liv weiterziehen. Natürlich ohne ihr zu erzählen, warum ich dort lang will. Aber sie stellt meine Entscheidungen eigentlich sowieso nicht in Frage, denn mein Orientierungssinn ist weit ausgeprägter als ihrer.
Ich kehre um und begebe mich zurück zu unserem Lagerplatz. Liv hat Stöcker für ein Lagerfeuer gesammelt, damit wir die Beute, die ich nicht habe, braten können.
Ich gehe rüber zum Zelt und sehe hinein.
>>Da bist du ja wieder.<<, begrüßt mich Livvy, die mal wieder fast am Schlafen ist.
>>Ja. Ich bin wieder da.<<, meinte ich mit gespielter Fröhlichkeit. >>Wie geht es deinem Bein?<<
>>Ganz gut. Hast du viel gefangen?<<, fragt sie dann.
>>Nein. Hab nichts gefunden.<<, antworte ich und weiche ihrem Blick aus, denn es fällt mir schwer ihr in die Augen zu sehen, wenn ich lüge. Aber das ist immer noch besser, als ihr von meinem verwundeten Arm zu erzählen.
>>Schade. Und jetzt?<<
>>Heute müssen wir mit dem, was wir noch haben, auskommen und morgen gehen wir am besten nach Westen weiter. Vielleicht haben wir dort mehr Glück.<<, meine ich und tue so, als würde nicht mehr dahinter stecken.
>>Wie du meinst.<< Liv gähnt.
>>Ruh dich noch etwas aus, okay?<<, schlage ich vor und verlasse das Zelt wieder, damit sie ihre Ruhe hat.
Ich nehme meinen Bogen in die Hand und setze mich vor dem Eingang auf den Boden. Besser ich bleibe wachsam. Wenn Menschen hier in der Nähe sind, haben sie unsere Spuren vielleicht auch entdeckt und dann ist es genauso gut möglich, dass sie uns als Feinde ansehen und uns angreifen. Also muss ich jeder Zeit bereit sein. Auch wenn ich wahrscheinlich nicht in der Lage wäre uns zu verteidigen, falls ein Angriff kommt. Nicht in diesem Zustand.
Aber vielleicht schreckt es sie ab, wenn sie jemanden mit einer Waffe sehen.
Ich kann es nur hoffen.

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