Mittwoch, 19. Dezember 2012

Livvy (12.)

Wir laufen jetzt schon drei Tage in Richtung Westen. Ich drehe noch durch, denn unser Proviant geht dem Ende zu und wir müssen sparsam sein.
Inzwischen sind bestimmt schon sieben Kaninchen an uns vorbeigehoppelt. Und Rumer hat sie einfach nicht erschossen. Ich glaube, sie hat sie sogar absichtlich ignoriert. Was ist denn bloß los mit ihr?! Ich will nicht verhungern müssen, nur weil sie auf einmal nicht mehr auf hilflose Tiere schießt und somit unsere Mägen nicht mehr voll werden.
>>Was ist denn los mit dir?<<, frage ich forschend.
>>Was soll denn los sein?<<, gibt sie verwundert tuend zurück.
>>Ist dir mal aufgefallen, dass wir schon lange kein richtiges Essen mehr hatten?<<
>>Wir haben doch aber nochgenügend Proviant in den Taschen<<, sagt sie und lächelt.
>>Ja, vielleicht vor ein paar Tagen. Aber das reicht höchstens noch bis Morgen. Wenn wir nicht all zu viel futtern, dann wären wir Übermorgen ohne Nahrung.<<
Sie scheint sich genau überlegen zu müssen, was sie erwidern soll. Sie findet aber wie es aussieht nicht die richtige Antwort und schaut ohne ein Wort zur Seite.
Wir schweigen also wieder, genau wie die meiste Zeit davor. Hin und wieder hoppelt ein Hase oder ein kleines Kaninchen an uns vorbei und ich stoße Rumer in die Rippen.
>>Hey, was soll das?!<<, empört sie sich.
>>Warum tötest du nicht mehr?<<, sage ich und lache. >>Ich meine warum du nicht mehr jagst.<<
>>Wie gesagt. Wir haben ja noch genügend Essen übrig.<<, sagt sie und schmunzelt.
Ich gebe es auf. Wenn sie auf stur stellt, dann bleibt sie es auch.
Nach einiger Zeit stiller und langweiliger Wanderung, sehe ich mich ein wenig um. Wir laufen jetzt auf einem Pfad, der eindeutig von Menschen erschaffen worden ist. Das verwirrt mich ein wenig, denn Rumer meinte, dass es hier in der Gegend keine anderen Stämme gibt.
Während ich weitergrüble schweift mein Blick umher und bleibt kurz auf einem Hasen gerichtet, der mit einem Seil um einen Baum, kopfüber hinunter hängt. Noch völlig in Gedanken wandert mein Blick weiter. Doch dann realisiere ich, was ich da gerade gesehen habe und bleibe abrupt stehen.
>>Rumer, sieh mal! Ist ja genial, dass das Essen jetzt schon von den Bäumen hängt, wo unseres sowieso bald ausgeht.<<, sage ich glücklich und will zu dem Baum mit dem Hasen gehen.
Aber Rumer hält mich an der Schulter fest. Sie zuckt kurz zusammen und lässt den Arm langsam sinken. Bevor ich sie fragen kann was los ist, sagt sie mit nachdrücklicher Stimme: >> Nein, geh nicht! Das ist hundertpro ne Falle! Ich mein, der wird sich ja nicht selber da erhängt haben. Oder hast du schon mal einen Selbstmord-Hasen gesehen?<<
Sie hat recht. So schlau würden Hasen niemals sein. Rumer geht langsam weiter. Sie deutet mir an hinter ihr zu bleiben. Wir schleichen nicht lange, denn wir stoßen schon bald auf eine kleine Lichtung. Dort steht ein Zelt, und einiges an Nahrung liegt davor. An einer Feuerstelle steigt noch ein wenig Rauch empor. Rumer bleibt so plötzlich stehen, dass ich ausversehen gegen sie laufe. Sie dreht sich um und guckt mich böse an. Ich mache eine entschuldigende Geste und schmunzle daraufhin.
>>Du bleibst hier hinter diesem Busch<<, sagt Rumer streng und zeigt aus ein kleines Büschlein. >>Ich gehe mich da mal umschauen. Und diesmal kommst du mir nicht hinterher gelaufen, klar?<<
>>Ja. Ich bleibe hier und schau dir zu. Ich habs verstanden!<<, gebe ich kleinlaut zurück.
>>Ist auch gut so! Ich meine du willst ja bestimmt nicht noch mehr Schmerzen haben, nur weil du ein kleines neugieriges Würstchen bist.<<, lacht Rumer.
>>Würstchen? Ist das dein Ernst?<< Jetzt lachen wir beide.
Dann macht sich Rumer auch schon auf den Weg und ich kauere mich hinter dieses winzige Büschchen, in der Hoffnung, dass man mich nicht erkennen kann. Irgendwie bin ich aufgeregt. Ich war noch nie in so einer Situation. Und mein Bein juckt. Das kommt davon, dass es anfängt abzuheilen. Das alles zusammen, lässt meinen Puls höher schlagen.
Ich mache mir mein Busch-Plätzchen gemütlicher, indem ich mich auf das Zeltknäuel setzte.
In der Zwischenzeit befindet sich Rumer schon vor dem Zelt und schaut vorsichtig hinein. Es scheint sich niemand darin zu befinden, denn sie dreht sich weg. Jetzt läuft sie auf der baumlosen Fläche umher und sucht nach irgendwas. Ich wäre um einiges schlauer, wenn ich wüsste wonach sie sucht.
Da springt ein Typ aus dem Dickicht und spannt seinen Bogen. Er zielt direkt auf Rumers Herz.
Okey, jetzt wird aus der Aufregung eindeutig Panik!

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