Montag, 2. Dezember 2013

Livvy (50.)

Wir stapfen jetzt schon seit fünf Tagen weiter durch den Wald und die Stimmung ist... sagen wir angespannt. Rumer läuft immer voran und schweigt die meiste Zeit, während Navin dicht bei ihr läuft und sie volllabert, als wäre zwischen ihnen alles okay und als würde sie ihn nicht dauernd so angucken, als wolle sie ihn abschießen. Keeden läuft bei mir und Dereck, um Dereck zu stützen, da er zwar wieder einigermaßen fit ist, sich aber noch nicht zu sehr belasten darf. Ich bin unendlich froh, dass er es geschafft hat das Kängururattengift zu bekämpfen. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde.
Unwillkürlich drücke ich seine Hand, die in meiner liegt und er sieht mich fragend von der Seite an. >>Alles okay, Liv?<<
Ich sehe in seine graugrünen Augen, die Augen in die ich mich verliebt habe, und lächle. Er weiß, dass mich etwas bedrückt, weil er es spüren kann, wenn wir so nah beieinander stehen und uns berühren, so wie ich spüren kann, dass er immer noch einige Probleme hat mit dem Tempo der anderen mitzuhalten, er aber nichts sagen will, um uns nicht aufzuhalten, trotzdem fragt er mich, um mir die Möglichkeit zu lassen auszuweichen. Eine weitere seiner Eigenschaften, die ich sehr schätze. >>Ja, alles klar. Ich bin nur etwas erschöpft. Können wir vielleicht etwas langsamer gehen?<<
Ohne ein Wort verlangsamen Rumer und Keeden gleichzeitig ihre Schritte. Navin nur einen Sekundenbruchteil danach. Dereck sieht mich dankbar an und küsst mich auf die Wange. Seine Liebe durchströmt mich.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Rumer es schafft Keedens Gefühle und ihre eigenen zu verarbeiten, jetzt da zwischen den beiden so viel... sagen wir spontane Antisympatie herrscht.
Wir laufen noch weiter bis die Sonne sich langsam über die Bergketten am Horizont senkt und die Bäume tiefe Schatten werfen. Rumer lässt ihre Tasche auf den Boden fallen, schnappt sich ihren Bogen und verschwindet im Wald. Das Zeichen für uns, dass wir hier unser Nachtlager aufschlagen werden. Dereck und ich stoßen gleichzeitig einen erleichterten Seufzer aus. Unsere Blicke kreuzen sich und wir lächeln. Für ein herzliches Lachen ist die Luft einfach zu dick. Keeden hilft Dereck, der noch etwas ungelenk ist, sich hinzusetzen und macht sich daran das Zelt der beiden aufzubauen.
Seit dem riesigen Streit schlafen Dereck und Keeden wieder in einem Zelt und Ru und ich teilen uns das andere von unseren. Navin schläft allein. In Anbetracht er Situation vermutlich die beste Idee. Wenn Ru oder Keeden allein schlafen würden, müssten wir uns nachts immer Sorgen machen, dass einer von den beiden Navin absticht. Das wäre nicht nur schade, weil wir dann die Hilfe der Stämme knicken könnten, sondern auch, weil ich Navin gern hab. Nur irgendwie hat er es geschafft die geballte Wut auf sich zu ziehen. Die von Keeden erklärt sich von selbst, aber Ru ist mittlerweile noch angepisster, als am Anfang, da Navin es einfach nicht lassen kann sie zu provozieren. Ich weiß warum er das macht.
>>Bin gleich wieder da.<<, sage ich zu Dereck und gehe hinüber zu Navin, der sich unter einen Baum gesetzt hat und den Schatten genießt. Als ich näher komme, öffnet er die Augen.
>>Livvy. Was verschafft mir das Vergnügen?<<, fragt er und hebt eine Augenbraue.
>>Ich wollt dir nur sagen, dass dich nicht alle hassen. Dereck und ich haben kein Problem mit dir.<<
Er lächelt. >>Danke. Gut zu wissen, dass nur fünfzig Prozent von euch mich nicht ausstehen können.<<
>>Ru mag dich.<<
>>Sie hasst mich. Von Tag zu Tag mehr.<<, meint Navin und seine Fassade zeigt einen Augenblick Risse, als Bedauern in seinen Augen aufblitzt.
>>Nein. Sie ist nur sauer.<<
>>Müsstest du, als ihre beste Freundin dann nicht auch sauer auf mich sein?<<, will er nun wissen und verschränkt die Arme vor der Brust.
>>Nein. Ich weiß nämlich, was du für sie tust.<<, erwidere ich. >>Du provozierst sie, damit sie sich auf ihre Wut auf dich konzentrieren kann und ein wenig von den Schuldgefühlen abgelenkt wird. Du kennst sie nämlich und weißt wie wichtig ihr Loyalität ist und wie sehr sie unter der Situation leidet.<<
Navin schweigt. Er mustert mich lediglich mit seinen grauen Augen. Nach einer Weile nickt er langsam und ein schwaches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. >>Danke, Livvy. Tut gut mal wieder ein normales Gespräch zu führen.<<
>>Gerne. Wenn du reden willst, bin ich da.<<
Er steht auf und schnappt sich sein Zelt, um es aufzuschlagen. Einen Moment hält er inne. >>Ich komm darauf zurück.<< Dann macht er sich an die Arbeit.
Ich gehe zurück zu Dereck und Keeden, die in ein Gespräch vertieft sind. Es tut gut sie so entspannt zu sehen. Keeden lacht sogar ab und zu. Ich setze mich neben Dereck, mein Kopf auf seiner Schulter und höre den beiden Jungs ein bisschen zu, ohne wirklich den Inhalt des Gesagten wahr zu nehmen.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Schreibblockade und son Zeug

Hey Leute.
Hab gerade eine schlimme Schreibblockade und darum kommt irgendwie nichts Gutes zustande.
Hier mal ein neuer Buchanfang.
Freu mich über Feedbacks. :)
Lia
____________________________________________________________
Sie spähte um die Ecke, um nachzusehen, ob die Luft rein war. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust und sie musste sich zusammen reißen, um nicht einfach Hals über Kopf los zu stürmen, denn wenn sie auch nur den kleinsten Fehler machte, dann war es das. Für sie bei-de.
   Die Straßen waren menschenleer, wie üblich in dieser Gegend. Da-rum hatten sie hier ja auch ihren Treffpunkt. Niemand kam mehr in die verlassenen Teile. Nicht einmal die Bettler, da es hier nichts zu holen gab. Alles was auch nur den Hauch von Wert besaß, wurde schon vor Jahrzehnten, kurz nach dem Bau der gereinigten Städte, von Plünderern mitgenommen.
   Nur die wenigen, die in den Augen der Regierung unrein waren, konnten noch einen Grund haben hierher zu kommen. So wie sie selbst.
   Gedankenverloren schlug sie ihren Jackenärmel hoch und berührte mit den Fingerspitzen vorsichtig das Tattoo, dass sich über ihren Un-terarm schlängelte. Es war ein Geflecht aus Ranken und Schlingpflan-zen, das fast jeden Milimeter ihrer Haut bis hoch zu ihrer Schulter be-deckte und bei ihrer Berührung anfing unruhig zu zucken. Das Mäd-chen lächelte. >>Ganz ruhig, Lex. Es wird schon nichts passieren.<<
   Ihre Augen wanderten achtsam die Straße entlang und nahmen jedes winzige Detail auf. Die Pflanzen, die durch den geborstenen Asphalt wucherten, die Risse in den Fassaden der Gebäude, die zu beiden Sei-ten aus dem Boden aufragten, wie traurige Denkmähler einer längst vergangene Zeit. Die halb heruntergerissenen Rollläden, die einst die Familien in den Häusern vor neugieren Blicken geschützt hatten. Dann suchte sie den Himmel ab. Bis auf ein paar Vögel und vereinzel-te kleine Wolken war nichts auffälliges zu sehen.
   Vorsichtig trat das Mädchen aus dem Schutz der Gasse und schlich dicht an den Hausmauern die Straße entlang, bis zu einem Gebäude, mit einem riesigen klaffenden Loch in der Front, wo einst ein großes Panoramafenster gewesen war. Es muss früher wohl einmal ein Schaufenster gewesen sein, oder vielleicht ein Coffeeshop. Was genau konnte man nicht feststellen, da es im Inneren außer einem Haufen Müll keinerlei Einrichtung mehr gab, die einem einen Hinweis geben konnte.
   Geschickt kletterte sie über das Fensterbrett. Das zerbrochene Glas, das überall auf dem Boden verstreut lag, knirschte unter ihren Schuh-sohlen und piekste ihr unangenehm in die Füße, aber das störte sie kaum, denn sie war schon so aufgeregt, auf das, was gleich kommen würde, dass alles andere ihr unwichtig und weit entfernt vorkam. Ein letztes Mal warf sie einen Blick über die Schulter, ob ihr vielleicht doch jemand gefolgt war und erst, als sie sich vom Gegenteil überzeu-gt hatte, ging sie weiter in das verfallene Gebäude.
   An der hinteren Wand befand sich eine Öffnung, mit einer morschen Tür, die nur noch von einem Schanier gehalten wurde. Vorsichtig schob das Mädchen das morsche Holz ein wenig beiseite und zwängte sich durch den entstandenen Spalt, ehe sie die Tür hinter sich wieder zurecht rückte. Nun befand sie sich in einem dunklen, feuchten Flur, in dem es unangenehm nach Tierurin und Fäulnis stank.
   Der Arm des Mädchens began zu prickeln und sie warf einen Blick auf ihr Tattoo. Die Ranken wanderten nach unten und zogen sich zu-sammen, so dass am Ende nur noch ein schwarzer Ring übrig blieb, der sich um ihr Handgelenk wand. >>Ja, ja. Gleich kannst du raus, Lex.<<
   Sie tastete sich an der Wand entlang nach rechts, wobei ihre Hand über irgendetwas nasses, klebriges streifte, was sie kurz erschaudern ließ und bog dann in den zweiten Raum auf der linken Seite ab.
   Hier lagen verstreut einige leere Kartons auf dem Boden, oder stan-den aufeinandergestapelt an der Wand und durch kleine scheibenlose Fenster schien von draußen die Sonne herein und tauchte den Raum in ein spärliches Licht.
   Das Mädchen wollte gerade weiter in den Raum vordringen, als sich plötzlich ein Arm um ihre Taille schlang und ihr jemand eine Hand auf den Mund presste.
   Jetzt ist es vorbei!
   Panik durchfuhr sie, wie ein Blitz und verschlug ihr den Atem. Sie versuchte zu schrein, aber jegliches Geräusch erstarb ihr in der Kehle. Es hätte sie ja ohnehin niemand gehört.
   Plötzlich erfüllte ein schallendes Lachen den Raum und das Mäd-chen wurde freigegeben. Blitzschnell drehte sie sich um und blickte in zwei vertraute grüne Augen.
   >>Easton!<<, keuchte sie erleichtert und fiel dem Jungen um den Hals. Sie schmiegte ihr Gesicht an seine muskulöse Brust und atmete seinen Duft ein. Er roch nach einer Mischung aus Seife und Kiefern-nadeln.
   Der Junge lachte erneut und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. >>Ich hab dich vermisst, Kaylynn.<<
   Kaylynn umarmte ihn noch kurz und stieß ihn dann weg. >>Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein! Verstanden? Ich hätte beinahe ei-nen Herzinfakt bekommen!<<
   Er schmunzelte, eindeutig amüsiert über ihren Gefühlsausbruch. >>Tut mir leid. Aber du siehst verdammt süß aus, wenn du denkst, dass man dich gleich umbringt, weißt du das?<<
   >>Idiot!<<, grummelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
   Easton legte seine Hände um ihre Taille und zog sie näher zu sich heran, ein spitzbübisches Grinsen auf den Lippen. >>Nicht böse sein, Kay. Du bist viel hübscher, wenn du lächelst.<<
   >>Willst du damit etwa andeuten ich wäre nicht so hübsch, wenn ich wütend bin?<<, fragte sie mit gespielter Entrüstung.
   Nun wurde sein Gesichtsausdruck ganz ernst und er sah ihr fest in die Augen. >>Ich finde dich immer schön, wenn du Emotionen zeigst, Kay.<<
   Kaylynn wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, also legte sie ihre Hände in seinen Nacken und zog ihn zu sich runter, um ihn zu küssen.
   Als ihre Lippen sich berührten, fing ihr Herz an zu rasen und jede Faser ihres Körpers summte im Einklang. Eastons Arme umfingen sie und zogen sie noch enger zu ihm, so dass kein Raum mehr zwischen ihnen war. Er vergrub seine Hände in ihren Haaren und eine unsagba-re Wärme durchflutete das Mädchen. Dieses Gefühl, war das schönste und erhabenste, was sie in ihrem Leben jemals gespürt hatte.
   Liebe.
   Viel zu schnell löste Easton sich wieder von ihr. >>Wir sollten ein wenig vorsichtiger sein.<<, keuchte er außer Atem und trat einen Schritt zurück. Sofort fing sie an seine Nähe zu vermissen, obwohl er immer noch direkt vor ihr stand, aber nah, war ihn nicht nah genug.

   >>Ob es jemals einen Ort geben wird, an dem wir nicht mehr vor-sichtig sein müssen?<<, fragt sie und sah ihn aus großen blauen Au-gen an.

Donnerstag, 8. August 2013

Rumer (49.)

Wie erstarrt, bleibe ich stehen und sehe Keeden mit großen Augen an. Meine Kehle schnürt sich zu und es kommt mir plötzlich so vor als wäre viel zu wenig Sauerstoff in der Luft.
>>Keeden.<<, wispere ich mit viel zu hoher Stimme und könnte mich insgeheim dafür verfluchen so verdammt schuldbewusst zu klingen. Ich habe nichts unrechtes getan. Ich kann nichts für seine Gefühle mir gegenüber und auch nichts für meine Gefühle für Navin. Warum fühle ich mich dann so schrecklich?
Da wird es mir klar! Es sind Keedens Gefühle die mich so zu Boden drücken und mir den Atem rauben. Er ist enttäuscht von mir. Und er ist wütend. Seine Wut und sein Zorn brennen in mir drin, vermischen sich miteinander und es fühlt sich an, als würde ich von Innen heraus verätzen. Doch der Zorn richtet sich nicht gegen mich, sondern gegen Navin.
>>Warum?<<, fragt Keeden und sieht mich traurig an. In seinen graublauen Augen kann ich erkennen, wie tief er verletzt ist und die Erkenntnis darüber, dass ich dafür verantwortlich bin, ist viel schlimmer als sein Zorn.
>>Ich liebe ihn.<< flüstere ich und obwohl ich sehr leise spreche, versteht er mich. Das kann ich daran erkennen, dass er die Hände zu Fäusten ballt.
>>Du redest dir nur ein ihn zu lieben.<<, faucht Keeden aufgebracht und kommt einige Schritte auf mich zu. Aus Reflex weiche ich zurück und obwohl es aus Versehen war, sehe ich Schmerz über sein Gesicht huschen, bevor wieder die ausdruckslose Maske an seine Stelle rückt. >>Er hat nur deinen instabilen Zustand ausgenutzt, damit du das denkst!<<
Fassungslos starre ich ihn an. >>Das ist nicht wahr.<<
Er schnaubt. >>Das weißt du doch gar nicht. Du hast keine Ahnung von Kerlen.<<
Autsch! Aber er hat recht. Ich hatte ja nie die Gelegenheit Erfahrungen zu sammeln, da meine Kindheit die ersten Jahre daraus bestanden hatte allein zu sein und Experimente an mir durchführen zu lassen. Und zu sterben. Und wiederbelebt zu werden. Dann hatte ich meine Freunde gefunden. Liv, Dereck und Keeden. Sie hatte ich eher als meine Familie betrachtet anstatt als irgendwas anderes.
Und dann nach der Flucht war ich zum Cazanara-Stamm gekommen, wo Navin der einzige Kerl war mit dem ich wirklich viel Kontakt hatte.
Ich hatte also keine Erfahrungen vorzuweisen außer die mit Navin und den einen Kuss mit Keeden. Aber das änderte nichts an der Echtheit meiner Gefühle. >>Man lernt dazu.<<, sage ich darum trotzig und verschränke die Arme vor der Brust.
>>Und das ist Grund genug gleich mit dem erstbesten in die Kiste zu springen?<<, stößt Keeden wutentbrannt hervor und spießt mich mit seinem Blick förmlich auf.
>>Neidisch das du es nicht warst?<<, fragt plötzlich jemand hinter mir höhnisch und ich wirbele herum. Navin ist nun ebenfalls aus dem Zelt gekommen und fixiert Keeden sichtlich belustigt.
>>Du elender Dreckskerl!<<, knurrt Keeden grimmig.
>>Ja, ja. Den Teil hab ich schon mitbekommen.<<, meint Navin gelangweilt und wedelt mit der Hand in der Luft, um das Thema bei Seite zu fegen. Dann mustert er mich. >>Tut mir leid, dass ich schon rausgekommen bin, aber das Geschrei von deinem Freund hier hat mehr als deutlich gemacht, dass er es eh schon weiß und da dachte ich mir ich sollte meine Freundin besser mal unterstützen.<<
Er hat mich seine Freundin genannt! Mein albernes Herz macht einen Satz und ich frage mich wann ich so verdammt kindisch geworden bin. Das ist ja nicht auszuhalten.
Bevor ich etwas erwidern kann, kommt Keeden mir zuvor. >>Sie wird schon noch zur Vernunft kommen und dich fallen lassen.<<
>>Achja? Das werden wir ja sehen.<< Navin grinst. Anscheinend amüsiert er sich diebisch darüber, dass Keeden sich so aufregt.
>>Ja, werden wir.<<, unterbreche ich die beiden. >>Und ehrlich gesagt, komme ich ganz gut ohne euch beide aus, wenn ihr euch benehmt wie kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug streiten.<<
>>Aber es ist mein Spielzeug!<<, sagt Navin schmollend und hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln.
Ich balle die Hände zu Fäusten. >>DU BIST SO EIN...<<
>>Verdammter Idiot?<<, schlägt er vor und hebt fragend eine Augenbraue.
Ich schreie frustriert auf. >>Ich gehe jetzt jagen. Und wenn ihr keinen Pfeil in eurem Körper stecken haben wollt, geht ihr mir besser aus dem Weg!<< Dabei werfe ich sowohl Navin als auch Keeden einen giftigen Blick zu und stapfe dann davon.
>>Noch einmal mehr oder weniger angeschossen werden, macht nun auch keinen großen Unterschied.<<, höre ich Navin noch murmeln ehe ich außer Hörweite bin.

Donnerstag, 1. August 2013

Livvy (48.)

Ein Tropfen kalten Wassers fließt über seine Schläfen. Behutsam streiche ich ihn mit der Fingerspitze über die Wange, und der Tropfen muss sich mit dieser Blockade geschlagen geben.
Dereck hatte eine unruhige Nacht. Wie froh ich war, dass er immerhin zwei Stunden am Stück geschlafen hat. Meine Augen konnte ich währenddessen nicht zum schließen überreden. Sie haben ihn die ganze Nacht über betrachtet, wie einen wertvollen Schatz, den es zu beschützen gilt.
>>Dereck, trink das hier.<< Ich reiche ihm eine Schüssel mit in heißem Wasser aufgekochten Kräutern. >>Bitte. Tu's für mich, bitte!<<
Mühsam hebt er seinen Kopf. Er sieht erledigt aus. Seine sonst so fluffigen goldbraunen Haare liegen in Strähnen an seiner Stirn. Ich kann dem Drang nicht wiederstehen, sie ihm aus dem Gesicht zu streichen. Unterhalb seiner graugrünen Augen zeichnen sich tiefe dunkle Ringe ab.
>>Es wird dir helfen.<< Stützend lege ich ihm meine Hand an seinen Hinterkopf und halte mit der Anderen die Schüssel mit dem heilenden Kräutertee.
Nach dem ersten Schluck verzieht er das Gesicht und der Tee fließt aus seinem Mund zurück. Verzweifelt und flehend sieht er mich an.
>>Ich weiß. Aber bitte trink den Tee. Denk an etwas anderes. Sobald du ihn getrunken hast, gebe ich dir ein Stück Brot.<< Oh Gott, ich klinge schon wie seine Mutter.
Ihn so voller Schmerzen und Verzweiflung zu sehen, lässt etwas in mir zerbrechen. Es ist schrecklich. Es ist so furchtbar grausam, einen Menschen, den man über alles liebt, für den man sein Leben geben würde, in dieser Situation vor sich liegen zu sehen. Auch wenn ich Heilerin bin, kann ich nichts in meiner Macht stehende tun, um ihm all seine Schmerzen zu nehmen.
Ich kann nur neben ihm sitzen und ihm bei seinem Kampf gegen das Gift in seinem Körper die Hand halten. Rumsitzen und Däumchen drehen. Warum bin ich es nicht gewesen, die angefallen wurde? Warum tut man mir das an? Warum, verdammt, kann man mich mit sowas nicht einfach verschonen? Ich habe schon genug durchgemacht. Dereck hat das nicht verdient.
Die Schüssel ist leer. Seine Augen geschlossen. Eine Träne fließt mir über die Wange. Die Welt außerhalb des Zeltes scheint meilenweit entfernt.
Ich lege mich neben ihn. Halte seine Hand und hoffe. Hoffe und bete für meine Liebe.
In Gedanken gehe ich jedes einzelne Kraut durch, das ich kenne. Suchend wandere ich in den hintersten Winkeln meines Gedächtnisses. Nichts, das ich nicht schon probiert habe.
Atemzüge verstreichen. Derecks Brust hebt und senkt sich gleichmäßig.
Draußen beginnen die Vögel zu zwitschern. Ich öffne meine müden Augen und sehe die ersten Sonnenstrahlen durch die Zeltwand dringen. Derecks gleichmäßiger Atem beruhigt mich, und es dauert nicht lange bis auch ich einschlafe.
Noch halb am träumen reibe ich mir meine Augen. Neben mir sind noch immer gleichmäßige Atemzüge zu hören. Es sind nur ein paar Stunden vergangen höchstens. Ich drehe mich auf den Rücken und strecke meine müden Knochen.
Da ich nicht mehr einschlafen kann, kümmere ich mich um Derecks Biss. Ich wechsle gerade seinen Verband, als lautes Geschrei die Stille durchbricht.

Samstag, 27. Juli 2013

Rumer (47.)

Als ich erwache dauert es einen Moment, bis mir wieder einfällt, was gestern geschehen ist. Ich spüre Navins Arm um meiner Taille und sehe ihn an. Er schläft noch. Sein Atem geht langsam und regelmäßig. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, ohne, dass ich es kontrollieren kann und ich schmiege mich an ihn. Durch die Tatsache, dass ich nackt bin und er auch, fühle ich mich einen Moment unbehaglich, aber dann schiebe ich dieses Gefühl beiseite. Das ist doch totaler Unsinn. Wieso soll ich mich merkwürdig fühlen, wo wir doch letzte Nacht... Ich atme tief durch und schließe wieder die Augen. Die Erinnerung an letzte Nacht laufen vor meinem inneren Auge ab. Navins Küsse. Wie er mich überrascht angesehen hat, als ich mein Oberteil ausgezogen habe. Seine Hände, auf meiner Haut. Ein wohliges Kribbeln läuft durch meinen Körper.
Bist du dir sicher? hat er mich gefragt. Und ich habe dies bejaht, denn ich war mir sicher. Nie in meinem Leben hatte ich etwas so sehr gewollt, wie das. Ich habe ihm meine Jungfräulichkeit geopfert.
Ich spüre, wie er sich bewegt und öffne die Augen wieder. Er streckt sich und sieht mich dann an, ein sanfter Zug umspielt seine grauen Augen. >>Dann war das wohl doch kein Traum.<<, bemerkt er und grinst verschlagen.
Mein Herz macht einen Satz und ich weiß nicht, wie ich antworten soll, aber das ist auch gar nicht nötig, denn er beugt sich zu mir rüber und küsst mich. Seine Lippen sind warm und weich. Der Kuss sanft und federleicht, eigentlich nur ein Hauch, dann löst er sich schon wieder von mir und sein Blick erforscht mein Gesicht.
Er denkt ich hätte es mir vielleicht anders überlegt und wartet auf eine Reaktion von mir.
Ich lächle und es ist deutlich zu erkennne, wie er sich entspannt.
>>Guten Morgen.<<, murmele ich und mein Herz hämmert so wild, dass ich befürchte es könnte zerspringen.
Navin grinst wieder. >>Guten Morgen, meine Liebe.<< Die Worte meine Liebe haben nun eine völlig neue Bedeutung für mich. Er mustert mich nachdenklich. >>Alles okay?<<
>>Ja, alles klar. Ich bin wohl nur etwas nervös.<<, gestehe ich und seufze. Mein Magen kribbelt. So habe ich mich noch nie gefühlt. So leicht, aber doch fest im Boden verankert, so verletzlich, aber auf eine gute Art und Weise. Ich bin nicht hilflos. Ich bin glücklich.
>>Nervös? Jetzt?<<, schnaubt Navin und lacht leise. >>Wäre das gestern nicht etwas angebrachter gewesen?<<
>>Na ja, jetzt kann ich meine Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.<< Ich sehe ihn an und mir wird klar, wie das klingen muss. >>Nicht das ich das will.<<, füge ich schnell hinzu. >>Aber das macht mich halt etwas nervös.<<
Navins Augen werden ganz groß. >>Moment mal... heißt das etwa...<< Er macht eine Pause und schluckt. >>Das gestern war dein erstes Mal?<<
Ich weiß, dass er schon mit anderen Mädchen geschlafen hat. Ich habe gehört, wie die Mädchen im Dorf immer von ihm erzählt haben und wie ihre Mütter und Väter sich über Navin aufgeregt haben, weil er nie lange bei einer geblieben ist.
Wie er hingegen auf die Idee kommt, ich hätte schon mit anderen Kerlen geschlafen, ist mir schleierhaft.
>>Ja, das war mein erstes Mal. An wen bitte hätte ich meine Jungfräulichkeit denn verlieren sollen, wenn ich fragen darf?<< Ich hebe eine Augenbraue und sehe ihn skeptisch an.
Auch ihm scheint das langsam klar zu werden. >>Rumer, das hättest du mir sagen müssen.<<, sagt er bestürzt und setzt sich auf.
>>Wieso? Was hätte das geändert?<<, frage ich und setze mich ebenfalls hin.
Er fährt sich mit der Hand durch seine blonden Haare, die ihm wirr vom Kopf abstehen und ich muss daran denken, wie ich gestern mit meinen Händen dieses Chaos angerichtet habe und muss grinsen.
>>Dein erstes Mal hätte was besonderes sein sollen.<<, meint Navin und sieht mich aus seinen grauen Augen verzweifelt an.
Ich lehne mich zu ihm rüber und küsse ihn so sanft, wie er mich eben geküsst hat. Dann sehe ich ihm in die Augen und flüstere: >>Es war etwas besonderes.<<
Er umfasst mein Gesicht mit seinen Händen und schüttelt leicht den Kopf. >>Ich habe es nicht verdient, dass du mir das geschenkt hast.<<
>>Doch, das hast du. Und es gibt niemandem dem ich es lieber geschenkt hätte.<<, sage ich sanft und ziehe ihn an mich und wir küssen uns eine Weile, bis er sich atemlos von mir löst.
>>Wir sollten... vielleicht zu den anderen gehen. Sonst fragen sie sich noch, wo wir so lange bleiben... und kommen nachsehen.<<, meint er sichtlich bemüht zu Atem zu kommen. Ich ziehe einen Schmollmund, woraufhin er grinst. >>Komm schon. Keeden sollte es nicht auf diese Art erfahren.<<
Oh mein Gott, Keeden! Den hatte ich ganz vergessen. Meine Gefühle haben mich gestern so überwältigt, dass ich gar nicht gespürt habe, wie er sich gefühlt hat, ob er schon geschlafen hat, oder ob er... es mitbekommen hat. >>Du hast recht.<<, sage ich schließlich und suche meine Sachen zusammen, die ich dann in meine Tasche stopfe, nachdem ich mir frische Klamotten rausgesucht habe.
Es stellt sich als ziemlich kompliziert heraus, sich zu zweit in einem so kleinen Zelt anzuziehen, aber wir bekommen es hin. Als wir fertig sind und ich gerade den Reißverschluss aufziehen will, um nach draußen zu gehen, hält Navin mich am Handgelenk fest. >>Warte.<<
Ich sehe ihn fragend an. >>Was ist denn?<<
Statt einer Antwort zieht er mich an sich und küsst mich. Nur ganz kurz, aber mein Magen macht trotzdem Saltos.
>>Da ich mal davon ausgehe, dass wir das mit uns geheimhalten, bis Keeden davon weiß, wollte ich meine letzte Gelegenheit vor heute Abend noch einmal nutzen.<<, sagt Navin und hebt einen Mundwinkel, zu einem schiefen Lächeln, das total sexy aussieht.
Ich ohrfeige mich innerlich. Reiß dich mal zusammen! Du klingst schon wie eine verliebte Städterin! Du musst dich konzentrieren und ruhig bleiben!
Aber es fällt mir unglaublich schwer mich auf irgendwas anderes außer Navin zu konzentrieren, vor allem wenn er mir so nahe ist, also öffne ich den Reißverschluss und gehe hinaus ins Freie. Die kühle Morgenluft schlägt mir entgegen und weht durch mein offenes Haar, dass mir noch ganz verwuschelt über die Schultern fällt.
Als ich den Blick hebe, bemerke ich Keeden, der ganz in der Nähe steht, die Arme vor der Brust verschränkt und mich mit einem finsteren Blick durchbohrt.
Meine Eingeweide erstarren zu Eis und mein Herz bleibt kurz stehen.
Er weiß bescheid!

Dienstag, 16. Juli 2013

Navin (46.)

Als ich wieder beim Lager ankomme, ist Rumer gerade dabei ein Zelt aufzubauen.
Ihre kleine braunhaarige Freundin ist bei dem Verletzten und murmelt leise vor sich hin. Wahrscheinlich steht sie unter Schock, denke ich und mustere sie genauer. Das Mädchen, Livvy, ist eindeutig keine Jägerin. Dafür allerdings eine sehr gute Heilerin. So wie es aussieht, kommt der Junge durch. Aber ich weiß ja, wie gut ihre Fähigkeiten sind.
Gedankenverloren sehe ich auf meine Hand, in deren Mitte eine kleine Narbe prangt und streiche vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. Vor meinem inneren Auge laufen wieder die Bilder von dem Tag ab, an dem Rumer mir einen Pfeil durch die Handfläche geschossen hat, weil ich ihre Freundin angreifen wollte. Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass Rumer ein Angen ist und was sie für eine Hintergrundgeschichte hat... aber sie hat ja nie darüber gesprochen. Ich hätte ihr vielleicht helfen können.
Mein Blick schweift, wie automatisch, zu ihr. Sie kämpft gerade damit die Heringen im Boden zu befestigen und flucht vor sich hin. Ich gehe zu ihr rüber und knie mich neben sie. 
>>Lass mich das machen.<<, sage ich und nehme ihr die Heringe aus der Hand. Sie rückt ein Stück zur Seite und ich bemerke aus dem Augenwinkel, dass sie mich ansieht. Ich widerstehe dem Drang ihren Blick aufzufangen und mache mich daran die Heringe in den Boden zu drücken. Im Handumdrehen bin ich fertig.
>>Danke. Und es tut mir leid.<<, murmelt Ru und nun sehe ich doch zu ihr rüber. Ihre graublauen Augen sind mit Tränen gefüllt.
>>Schlechter Zeitpunkt um anzufangen zu heulen. Deine kleine Freundin muss sich um den Verletzten kümmern und Keeden ist noch irgendwo im Wald. Und du erwartest ja wohl nicht, dass ich dich tröste, oder?<<, sage ich härter als eigentlich gewollt und stehe auf.
>>Navin.<<, stammelt Ru, doch ich wende mich bereits ab und gehe.
Am Abend liege auf dem Rücken in meinem Zelt und starre an die Decke. Angestrengt versuche ich nicht über die Einteilung der anderen beiden Zelte nachzudenken. Livvy wird wahrscheinlich bei ihrem Freund im Zelt schlafen wollen, einerseits, weil sie ihn liebt und andererseits, weil sie von uns die einzige ist, die weiß, wie er behandelt werden muss. Das heißt Keeden und Rumer...
Und ich denke doch über die Zelteinteilung nach. So ein Mist! Wütend presse ich die Kiefer zusammen und stoße dann hörbar Luft aus. 
Warum macht mir das nur so viel aus? Ich hatte doch sonst nie ein Problem damit, wenn ein Mädchen mit dem ich mal was hatte, bei einem anderen Kerl geschlafen hat. Andererseits hatte ich für diese Mädchen auch nie irgendwelche Gefühle. Rumer war oder besser gesagt ist die einzige für die ich je so empfunden habe. Die anderen Mädchen waren eigentlich immer nur eine Ablenkung, weil ich mir nie vorstellen konnte, dass Ru meine Gefühle jemals erwidern würde. Sie hat mich schon immer für einen arroganten Kotzbrocken gehalten. Seit sie damals bei uns im Stamm angekommen ist. Für mich hingegen war sie das Schönste, was ich je gesehen habe. Dieses kleine zierliche, zwölfjährige Mädchen mit dem wirren blonden Haar und den großen Augen. Und als sie dann auch noch darauf bestanden hatte, jagen gehen zu dürfen, anstatt, wie die anderen Frauen, sammeln zu gehen, war es um mich geschehen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich Lisandro angebettelt habe, Rumer ausbilden zu dürfen. Dafür musste ich einen Monat lang nachts noch jagen gehen, um mehr Beute anzuschaffen, aber das war es mir wert. Und als ich unseren Stammesfüherer dann auch noch überreden konnte mich zu Rumers Jadgpartner zu machen...
Seufzend schiebe ich die Erinnerungen bei Seite und starre wieder wie gebannt an die Decke. Ich darf nicht daran denken. Das macht es nur schlimmer, sage ich mir immer wieder und presse die Lippen zusammen.
Plötzlich höre ich das leise Ratschen des Reißverschlusses und taste aus Reflex nach meinem Bogen, ehe ich die Gestallt erkenne, die in der Öffnung meines Zeltes auftaucht.
>>Rumer?<<, frage ich verwirrt und sehe sie ungläubig an. >>Was machst du denn hier?<<
Sie wirkt unsicher und knabbert an ihrer Unterlippe herum. >>Ich wollte eigentlich fragen, ob ich noch hier schlafen darf, aber ich kann auch gehen...<<
>>Hier schlafen?<<, unterbreche ich sie und bin nun noch verwirrter.
>>Ja.. Das war eine blöde Idee. Tut mir leid.<<, haspelt sie und will wieder gehen, doch ich halte sie am Handgelenk fest.
>>Nein. Ist schon okay.<<, sage ich sanft und werde weich. Ich habe Rumer noch nie so unsicher und... verletzlich erlebt, wie jetzt.
Zögerlich kommt sie ins Zelt und schließt den Reißverschluss wieder hinter sich. Dann sieht sie mich unsicher an, als wüsste sie nicht, was sie jetzt machen soll.
>>Wieso bist du nicht bei Keeden?<<, frage ich schließlich in die Stille hinein, denn das ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt. Vielleicht will er sie ja nicht bei sich haben.
>>Weil ich hier bei dir sein möchte.<<, antwortet sie nach einer kurzen Pause und ihre Augen funkeln, als sie mich ansieht.
In mir breitet sich eine wohlige Wärme aus und jegliche Wut, die ich auf sie hatte, löst sich in Luft aus.
>>Komm her.<<, flüstere ich und ziehe sie in meine Arme. Rumer schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Ich atme ihren Duft ein und schließe dann die Augen. Mein Körper ist nun völlig entspannt und ich merke, wie der Schlaf dabei ist mich langsam in seine Tiefen zu ziehen.
>>Navin?<<, fragt Ru nach einer Weile flüsternd, als ich schon fast eingeschlafen bin.
>>Ja?<< Ich gähne und reibe mir die Augen.
>>Ich weiß jetzt die Antwort auf deine Frage.<< Ihre Hand zupft unsicher an meinem T-Shirt rum und ich spüre, wie sie tief einatmet. 
>>Welche Frage?<<, frage ich verschlafen und versuche die Augen zu öffnen, um sie anzusehen.
Ihr Atem zittert ein wenig. >>Auf deine Frage, ob ich für dich auch Rücksicht genommen hätte, wenn ich mich in Keeden verliebt hätte.<<
>>Und?<<
>>Ja, hätte ich.<<, meint sie entschlossen und ihre Stimme klingt wieder so fest, wie ich Rumer kenne.
>>Schön zu wissen.<<, murmele ich und küsse sie auf den Scheitel.
>>Aber... eines wäre anders gewesen bei Keeden...<<, fügt sie zögerlich hinzu und als sie nicht weiter spricht, sehe ich sie an. Ihr Blick begegnet meinem und mein Herzschlag beschleunigt sich unwillkürlich. >>Bei Keeden...<<, fährt sie fort. >>Hätte ich das mit dem Rücksicht nehmen länger durchgehalten.<< Und mit diesen Worten rutscht sie ein Stück näher zu mir heran und drückt ihre Lippen auf meine.
Einen Augenblick bin ich vollkommen überrumpelt, doch dann schlinge ich meine Arme um ihre Taille und ziehe sie noch näher an mich heran. Sie stöhnt leise auf und umfasst mit ihren Händen mein Gesicht. Dann wechselt der Kuss von vorsichtig und sanft zu drängend und leidenschaftlich. Meine Hände wandern zum Saum ihres Oberteils und ich zerre daran. 
Ru's Lippen lösen sich von meinen. Sie setzt sich auf und sieht mich atemlos an.
Ich bin zu weit gegangen. >>Tut mir... leid.<<, keuche ich ebenso außer Atem wie sie und sehe sie entschuldigend an. Einen Augenblick erwidert sie meinen Blick nachdenklich, dann breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie zieht sich ihr Top über den Kopf und schleudert es beiseite. Darunter trägt sie nur einen schwarzen BH. Erstaunt weiten sich meine Augen. 
>>Rumer...<<, flüstere ich atemlos und setze mich ebenfalls hin. >>Du musst das nicht tun.<<
>>Ich weiß.<<, antwortet sie lächelnd, schwingt ein Bein über meine und setzt sich dann auf meine Oberschenkel. Ihr Gesicht ist ganz nahm an meinem und ich halte den Atem an. >>Aber ich will das.<<
Einen Moment mustere ich sie eingehend. Lasse meinen Blick über ihr Gesicht gleiten. Ihre wundervollen Augen, die geröteten Wangen, ihre Lippen. Ihr Haar, dass ihr Gesicht, wie ein Vorhang aus flüssigem Gold umgibt. Und dann gleitet mein Blick tiefer und ich nehme jeden Zentimeter ihres Körpers in mir auf, bis mein Blick schließlich wieder bei ihren Augen endet. 
>>Bist du dir sicher?<<, frage ich unsicher und bemerke, dass meine Stimme bebt.
>>Ja.<<, antwortet sie und legt ihre Arme um meinen Hals. Einen Augenblick sehen wir uns noch in die Augen, bevor ich mich vorbeuge und sie küsse. Erst zögerlich, damit sie es sich noch anders überlegen kann, doch dann zieht sie mich näher an sich und meine Selbstbeherrschung löst sich in Rauch auf. Ich grabe mein Hände in ihre Haare und küsse sie jetzt intensiver. Ihre Hände wandern an meinen Seiten herunter und dann zieht sie mir mein T-Shirt über den Kopf und wirft es, wie vorhin ihr Oberteil, beiseite. Unsere Lippen finden sich wieder und ich lehne mich langsam nach hinten, bis ich wieder auf dem Boden liege, Rumer über mir. Dann rolle ich mich herum, bis ich über ihr bin und löse mich kurz von ihren Lippen, um ihren Anblick in mir aufzunehmen. Ihre Wangen glühen und ein aufgeregtes Funkeln ist in ihren Augen zu erkennen. Sanft streiche ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüstere: >>Ich liebe dich, Rumer.<<
>>Ich dich auch.<<, antwortet sie an meinen Lippen und zieht mich wieder zu sich.
Ich kann ihren rasenden Herzschlag an meiner Brust spüren und stelle fest, dass ihres genauso heftig schlägt, wie meins. Und dann ist da nur noch sie. Ihr Herzschlag. Ihre Lippen, auf meinen. Ihre weiche, warme Haut unter meinen rauen Händen. Ihr Geruch, der mich umgibt.
Und ihre Stimme, die meinen Namen flüstert, als wir schließlich miteinander schlafen.

Freitag, 12. Juli 2013

Keeden (45.)

Navin hatte mir bedeutet ihm zu folgen, während Rumer und Livvy sich um Dereck gekümmert haben. Da ich auch noch etwas mit ihm zu besprechen habe, bin ich ihm nachgelaufen, als er ins Gebüsch verschwunden ist.
Jetzt stehen wir im Wald, außer Hörweite der Mädchen und Navin hat sich mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt und mustert mich finster. Dieser Mistkerl! Dabei habe ich ja wohl viel mehr Grund ihn böse anzugucken!
>>Was ist?<<, frage ich durch zusammengepresste Zähne und sehe ihn feindselig an.
>>Was sollte die Scheiße? Wieso hast du die Rauchbombe erst so spät eingesetzt? Ihr hättet alle draufgehen können.<< Navin bleibt ganz ruhig während er das sagt und das reizt mich noch mehr, als wenn er mich angeschrien hätte.
>>Weil ich nur diese eine hatte und sie für den äußersten Notfall aufheben wollte!<<, knurre ich und verfluche mich insgeheim, dass ich nicht so ruhig und gelassen bleiben kann, wie er.
Navin sieht mich herablassend an und meint verächtlich: >>Wie sieht denn deiner Meinung nach ein äußerster Notfall aus? Ich meine dein Freund ist fast drauf gegangen, oder ist gerade dabei.<<
Mein Magen krampft sich zusammen, als ich an Dereck denke. Er ist einfach umgekippt und hat sich danach nicht mehr gerührt. Was wenn er... Nein! Entschlossen schiebe ich den Gedanken beiseite. Er wird das schaffen! Liv bekommt das schon wieder hin. Ich muss positiv denken, denn wenn ich auch nur für eine Sekunde daran denke, dass Dereck, der für mich wie ein Bruder ist, sterben könnte... Das darf einfach nicht passieren!
Meine Angst vermischt sich nun mit meiner Wut und bringt mich dazu zu schreien: >>Ich dachte wir kriegen das vielleicht auch so hin! Und dann wäre die Bombe verschwendet gewesen! Sowas nennt sich strategisches Denken! Noch nie gehört?<<
>>Oh doch. Aber du scheinst nicht besonders gut in Mathe zu sein. Mir war schon innerhalb weniger Sekunden klar, dass die Pfeile niemals für die ganzen Kängururatten gereicht hätten.<<, meint er seelenruhig und sieht nach oben, als wäre ich gar nicht da.
>>Wenn es dir so klar war, wieso bist du dann nicht einfach weggelaufen, sondern hast uns geholfen?<<, frage ich gereizt und sehe ihn herausfordernd an. Navin sieht mir nun direkt in die Augen und an dem Ausdruck, der sich darin wiederspiegelt, kann ich seine Antwort erkennen. >>Natürlich.<<, sage ich matt. >>Wegen ihr.<<
>>Na wegen dir ganz bestimmt nicht.<<, spottet er.
Wütend beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange, bis ich Blut schmecke. >>Du bist echt das Letzte.<< Ich spucke ihm die Worte förmlich entgegen.
>>Ja, ich weiß. Und ich bin ein Arsch, ein Penner, ein Idiot. Das hat Rumer mir schon alles hundertmal gesagt in den letzten Jahren.<<, meint Navin abwinkend und sieht mich vollkommen desinteressiert an.
>>Lass gefälligst die Finger von ihr!<<, knurre ich und gehe einen Schritt auf ihn zu.
>>Wieso sollte ich? Nur damit du sie haben kannst? Es ist doch wohl ihre Entscheidung wen sie will.<<, sagt er gelassen und mit neutralem Blick. >>Und ich werde ihr diese Entscheidung nicht nehmen, sondern sie akzeptieren.<<
>>Das sagst du jetzt nur, weil du dir sicher bist, dass du es sein wirst, den sie wählt.<<, fauche ich und rümpfe die Nase.
Navin seufzt und massiert sich den Nasenrücken. >>Ehrlich gesagt, glaube ich, dass sie niemals mit mir zusammen sein könnte, ohne sich schlecht zu fühlen.<<
>>Wieso?<<, frage ich verwirrt.
>>Wegen dir.<<, sagt er nüchtern und ich sehe für einen Moment tiefes Bedauern in seinem Blick, doch schon im nächsten hat er seine Gefühle wieder im Griff und setzt eine undurchdringliche Maske auf.
Mir wäre fast vor Erstaunen der Mund aufgeklappt, aber ich reiß mich zusammen. Wegen mir.
>>Aber freu dich nicht zu früh. Ich werde nicht so leicht aufgeben.<<, fügt Navin dann noch mit einem dreisten Grinsen hinzu.
>>Meintest du nicht du akzeptierst ihre Entscheidung?<<, frage ich verächtlich und verschränke nun ebenfalls die Arme vor der Brust.
Navins Grinsen bekommt nun etwas wölfisches. >>Noch hat sie keine Entscheidung getroffen. Aber ich werde bis zum Schluss um sie kämpfen.<<
>>Und warum denkst du, dass du besser für sie bist?<< Ich balle die Hände zu Fäusten und wappne mich dafür ihm die ganzen Gründe aufzuzählen, weshalb er sich irrt. Weshalb ich besser bin!
>>Ich denke nicht, dass ich besser für Rumer bin. Ich denke lediglich, dass ich richtig für sie bin.<<, antwortet Navin, stößt sich von dem Baum ab, an den er gelehnt hat und geht an mir vorbei zurück in Richtung der anderen.
Und lässt mich völlig verblüfft zurück.

Samstag, 6. Juli 2013

Livvy (44.)

Er sackt neben mir zu Boden. Blut fließt aus der Wunde. Ich schreie.
Wie gelähmt sitze ich zusammengekauert auf dem Waldboden. Der Schock des Angriffes sitzt mir tief in den Knochen. Er liegt da, krümmt sich vor Schmerz und ich kann mich nicht bewegen.
Ich könnte ihm helfen. Ich könnte..
Ein lauter Knall lässt mich aus der Starre aufschrecken. Ich blicke auf. Rauch steigt nicht weit von Navin entfernt auf, und breitet sich aus. Woher kommt der Rauch?
Bevor ich fragen kann, kommt Navin mir zuvor.
>>Woher hast du die Rauchbombe?<<, fragt er, während er einer Kängururatte zwischen den Augen einen Pfeil platziert.
>>Die hat Chazz mit glücklicherweise gegeben.<<, antwortet ihm Keeden.
Überall fliegen Pfeile durch die Gegend, jedoch scheint die Rauchbombe die Kängururatten zu vertreiben. Immer weniger Pfeile rauschen über mir umher und ich sehe die kleinen Mutanten ins Dickicht flüchten.
Mein Blick heftet sich wieder auf Derecks Gesicht. Er ist ganz bleich geworden. >>Dereck?<<, flüstere ich heiser. >>Dereck, hörst du mich?<< Seine Lider sind geschlossen und er reagiert nicht. Hektisch fühle ich an seiner Hauptschlagader nach seinem Puls. Er ist da. Jedoch sehr schwach. >>Ich brauche meinen Medizinbeutel!<<, rufe ich verzweifelt und sehe mich hilfesuchend um. Sofort eilt Rumer an meine Seite und reicht mir meinen Beutel. Ich bin so froh sie lebend zu sehen, aber im Moment kann ich mich nur auf Dereck und seine Verletzung konzentrieren. Ich öffne den Beutel und hole ein kleines Fläschchen mit Wasser hervor und lasse die Flüssigkeit über die Wunde in seinem Bein laufen. Immer noch keine Reaktion. Schnell zupfe ich ein paar Blätter Kandaru-Kraut aus meinem Beutel, wobei ein paar andere meiner Kräuter herausfallen, aber das ist mir egal. Jetzt zählt nur Dereck. Ein einengender Druck legt sich auf meine Brust und ich bekomme kaum noch Luft, als ich die Blätter auf die Wunder presse. Dann hole ich noch schnell zwei Blätter Ohmnu-Kraut hervor und lege sie Dereck in den Mund.
>>Was ist das?<<, fragt Ru und tauscht die Blätter auf der Beinwunde aus, die schon jetzt vom Blut und Wundwasser getränkt sind.
>>Ohmnu-Kraut. Es wirkt Schmerz- und Fieberlindernd und bekämpft das Gift, dass sein Gehirn angreift.<<, erkläre ich und sehe, wie Rumer blass wird. Sie hat Angst ihn zu verlieren. Genau wie ich.
>>Kannst du seine Wunde ausspülen und dann die Salbe aus dem gelben Gefäß auftragen?<<, frage ich. während ich mich daran mache eine Kräutermischung zu erstellen, die gezielt das Gift in seinem Körper neutralisieren wird. Rumer wirkt zuerst etwas zögerlich, doch dann nimmt sie entschlossen einen Stofffetzen aus ihrer Tasche und tränkt ihn mit Wasser. Dann fängt sie behutsam an Derecks Bein zu reinigen, wobei ihre Hand zittert. Sie ist eindeutig keine Heilerin. Ich habe in meiner Ausbildung schon ganz früh gelernt in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Man darf sich von seiner Gefühlslage nicht kontrollieren lassen. Nicht einmal wenn... man den Verwundeten liebt.
Als ich die Mischung fertig habe, nehme eine der wenigen Spritzen aus meinem Beutel und ziehe den Saft, den ich aus den Blättern gepresst habe damit auf. Dann setze ich sie oberhalb der Beinwunde an und spritze sie ihm in eine Vene.
Und dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen, dass es noch nicht zu spät war. Rumer hat die Wunde gesäubert und sie Salbe aufgetragen, so wie ich es ihr gesagt habe. Dann legt sie noch auf meine Anweisung hin eine Schicht Kandaru-Kraut oben drauf und verbindet das Ganze.
Und dann sieht sie mich an und in ihrem Gesicht spiegelt sich die selbe Angst, die auch ich spüre und eine unausgesprochene Frage zeichnet sich in ihren Augen ab: Wird er überleben?
Kraftlos zucke ich mit den Schultern. Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand. Jetzt liegt es an ihm.
Ich betrachte sein Gesicht. Das Gesicht des Jungen, den ich liebe. Er wirkt so zerbrechlich und schwach, dass ich bei seinem Anblick unwillkürlich an meine kleine Schwester Willow denken muss. Ich bin froh, dass ich sie nicht mitgenommen habe und sie bei Chazz und den anderen in Sicherheit ist. Wenigstens eine Person, die ich liebe, um die ich mir keine Sorgen machen muss.
Plötzlich keucht Dereck und öffnet schwach die Augen. Ich beuge mich über ihn und sehe ihn an. >>Dereck?<<, frage ich mit piepsiger Stimme.
>>Liv?<<, krächzt er heiser. >>Was ist passiert?<<
>>Du wurdest von einer Kängururatte gebissen. Aber du wirst es überleben.<<, erwidere ich mit Tränen in den Augen und streiche ihm liebevoll die schweißnassen Haare aus der Stirn.
>>Cool.<<, flüstert er und seine Augen fallen ihm wieder zu.
>>Was ist mit ihm? Stirbt er jetzt?<<, fragt Rumer geschockt und beugt sich ebenfalls vor.
>>Nein.<<, beruhige ich sie. >>Er ist aufgewacht, dass heißt er hat die Medizin angenommen. Jetzt braucht er nur sehr viel Ruhe um zu heilen.<<
Wir seufzen genau gleichzeitig erleichtert auf und sehen uns dann an.
>>Ich bin froh, dass du wieder da bist, Ru.<<, sage ich und lächel schwach.
>>Ich bin auch froh.<<, erwidert sie und steht dann auf. >>Ich schlag mal ein Zelt auf, damit wir Dereck dort rein legen können.<< Dann dreht sie sich um und bleibt verwundert stehen. >>Wo sind Navin und Keeden?<<
Jetzt sehe auch ich mich um und stelle fest, dass weit und breit nichts von ihnen zu sehen ist. >>Komisch. Eben waren sie doch noch da.<<
>>Wahrscheinlich suchen sie nur die Umgebung ab, ob diese Biester auch wirklich alle weg sind.<<, meint Ru dann und macht sich daran ein Zelt aufzubauen.
Währenddessen wende ich mich wieder Dereck zu und streiche ihm sacht übers Gesicht. >>Du wirst leben.<<, flüstere ich und muss lächeln. >>Gott sei Dank.<<

Samstag, 22. Juni 2013

Rumer (43.)

Ich stehe da wie erstarrt und sehe in die Richtung, in der Navin verschwunden ist, ohne irgendwas wirklich wahr zu nehmen.
Seine Frage beschäftigt mich, weil sie viel über das aussagt, was mich ausmacht. Hätte ich für ihn auch Rücksicht genommen, wenn ich mich in Keeden verliebt hätte? Oder liegt es nur daran, dass ich seinen Schmerz am eigenen Leid spüren muss? Anders gefragt: Will ich wirklich nur die Leute nicht verletzen, die mir am Herzen liegen, oder hat es egoistische Gründe? Denke ich dabei nur an mich?
Und um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht.
Klar, ich denke, dass es wegen Keeden ist, aber vielleicht rede ich mir das ja auch nur ein, damit ich besser damit klar komme. Ich bin auch nur ein Mensch. Sind wir Menschen nicht irgendwo alle egoistisch?
Seufzend setze ich mich auf den Boden und rupfe ein paar Grashalme aus. Was jetzt? Ich will Keeden und den anderen gerade nicht begegnen, aber genauso wenig kann ich Navin nachlaufen. Er will seine Ruhe haben und das kann ich ihm echt nicht verübeln. Ich an seiner Stelle hätte mir wahrscheinlich eine rein geschlagen.
Aus den Grashalmen sind mittlerweile richtige Grasbüschel geworden, die ich aus der Erde reiße und dann wütend gegen einen Baum werfe. Die Wut füllt mich aus. Wut auf mich selbst.
Ich habe es gerade wirklich fertig gebracht innerhalb kürzester Zeit zwei von den Menschen zu verletzten, die mir am meisten bedeuten. Meisterleistung. Sowas kann auch nur mir passieren.
Plötzlich ertönt ein lauter Schrei und ich springe auf. Das war ein Mensch! Sofort schnappe ich mir meinen Bogen und laufe in die ungefähre Richtung, aus der der Schrei gekommen ist. Dann werde ich langsamer, weil ich mir nicht mehr sicher bin, wo ich lang muss. Bis ein erneutet Schrei ertönt, gefolgt von lauten Rufen.
Ich kenne diese Stimmen. Das sind meine Freunde.
Mein Herz sackt mir in die Hose und ich fange an zu rennen. Dabei springe ich über Steine und andere Hindernisse und ducke mich unter tief hängenden Ästen hindurch. Trotzdem peitschen mir immer wieder Zweige ins Gesicht und reißen meine Haut auf, aber das ist mir egal. Ich muss zu ihnen! Was anderes zählt gerade nicht.
In meinem Kopf herrscht jetzt anstelle des Chaos totale Leere und dafür bin ich dankbar, denn so kann ich mich besser auf das konzentrieren, was vor mir liegt.
Dann sehe ich sie. Keeden und Dereck stehen mit den Rücken zueinander, Livvy zwischen ihnen, und schießen Pfeile in alle Richtungen ab. Als ich näher komme, erkenne ich auch, worauf sie schießen: Kängururatten! Das sind mutierte Ratten, in der Größe von Hasen, die bis zu drei Meter hoch springen können. Und ihre Bisse sind meist tödlich.
Ich sprinte so schnell ich kann zu ihnen, durchbohre drei Kängururatten dabei tödlich mit meinen Pfeilen und stelle mich zu Keeden und Dereck.
>>Ru!<<, sagt Livvy, die den Tränen nahe ist und berührt mich an der Schulter.
>>Ich glaube die Wiedersehensfreude sollten wir auf später verschieben.<<, erwidere ich und fange an auf die Ratten zu schießen. Der Ringfinger und der kleine Finger an meiner linken Hand sind immer noch taub und ich habe die Hoffnung auf Besserung aufgegeben, aber das hindert mich nicht daran, dass jeder Schuss sitzt.
Wir schaffen es die kleinen Biester auf einen Abstand von zwei Metern zu halten, aber wir wissen alle, dass uns das nicht ewig gelingen wird. Es sind zu viele und unsere Pfeile sind bald leer.
Livvy fängt an zu weinen und Dereck ist einen Moment davon abgelenkt. Lange genug für eine Kängururatte, um ihre spitzen Zähne in sein Bein zu schlagen.
>>Scheiße!<<, fluche ich und will sie erschießen, doch bevor ich mich auch nur umgewandt habe, zischt ein Pfeil durch die Luft und das Vieh rutscht leblos zu Boden. Ich blicke mich um und sehe Navin mit gezücktem Bogen ein paar Meter von uns entfernt stehen. Er nickt mir kurz zu und schießt weiter.
Ich konzentriere mich ebenfalls wieder auf das Geschehen. Nebenbei nehme ich war, dass Dereck zu Boden sackt und mein Magen krampft sich zusammen.
Livvy schreit.
Dereck keucht.
Ich schieße. Immer und immer weiter. Bis mein Köcher leer ist.

Sonntag, 16. Juni 2013

Navin (42.)

Rumer ist ganz blass und sieht gequält aus. Ich helfe ihr auf und will sie stützen, doch sie stößt mich weg.
>>Nein. Fass mich nicht an. Bitte.<<, sagt sie und sieht mich mit ihren großen graublauen Augen traurig an.
>>Was ist los? Habe ich was falsch gemacht?<<, frage ich und versuche nicht verzweifelt zu klingen, obwohl ich es bin. So lange habe ich schon darauf gewartet mit Rumer zusammen sein zu können. Sie berühren zu können. Sie zu küssen. Und jetzt, wo ich dachte, ich hätte es geschafft, wo sie gesagt hat, dass sie mich auch liebt, stößt sie mich weg. Und mir stellt sich jetzt die Frage, wieso.
>>Nein! Es ist nicht deine Schuld. Es ist wegen Keeden.<<, sagt sie und weicht meinem Blick aus. 
Ich spüre, wie sich Wut in mir breit macht und mein Unterkiefer sich anspannt. >>Wegen diesem Idioten? Was ist mit ihm? Liebst du ihn? Seit ihr zusammen?<< Ich weiß, dass es unfair ist, sie anzuschreien, aber wenn ich nicht schreie und wütend bin, bin ich verletzt und dann bin ich noch unausstehlicher.
>>Nein. So ist es nicht.<<, beteuert sie und sieht mich verzweifelt an, aber ich bleibe hart.
>>Ach ja? Und wie ist es dann? Hat er dich abgewiesen und du suchst jetzt bei mir Trost?<< Ich spucke die Worte förmlich aus und muss mich zusammenreißen um nicht irgendwo gegen zuschlagen.
Jetzt wirkt sie gekränkt. >>Wie kannst du sowas auch nur denken? Ich liebe dich, Navin! Das ist mein voller Ernst!<<
Sie hat es schon wieder gesagt. Und diese drei kleinen Wort aus ihrem Mund wirken wie Medizin für meinen Zorn. Ich entspanne mich und nehme sie in den Arm, doch sie blockt wieder ab.
>>Nein. Das geht nicht. Nicht jetzt.<<
>>Wieso nicht?<<, frage ich verwirrt und sehe sie an.
>>Weil er in der Nähe ist. Ich kann es spüren. Und er ist sauer, weil ich dich liebe.<<
Ich verstehe nur Bahnhof. Aber der letzte Teil gefällt mir. >>Das musst du mir, denke ich, etwas genauer erklären.<<
>>Damals in dem Labor haben Keeden und ich irgendwann festgestellt, dass wir spüren können, was der andere fühlt. Das geht aber nur, wenn wir nahe beieinander sind. Als ich beim Stamm war, ist diese Verbindung abgerissen, aber jetzt ist sie wieder da. Und als ich dir gerade gesagt habe, dass ich dich liebe, da habe ich es auch gefühlt. Und Keeden auch, denn seine Wut hat mich förmlich überrollt. Das heißt, dass sie ganz in der Nähe sind.<<, erklärt sie und ich versuche zu begreifen, was das bedeutet.
>>Das heißt, ich darf dich nicht mehr berühren?<<, frage ich ernüchtert.
Sie schüttelt traurig den Kopf. >>Wenn du mich berührst, oder küsst, explodieren meine Gefühle förmlich in mir. Und das verletzt Keeden. Und wenn er meinetwegen verletzt ist... das ertrage ich nicht. Er hat so viel für mich getan und ich...<<
>>Du fühlst dich schuldig.<<, stelle ich fest. Sie nickt. >>Du fühlst dich schuldig, weil du die Gefühle, die er für dich hat, nicht erwiderst.<< Wieder ein Nicken. >>Und darum denkst du, dass du auch nicht glücklich sein darfst.<<
>>Ich kann nicht auf Kosten eines Menschen glücklich sein, der mir am Herzen liegt!<<, faucht sie. Sie wird jetzt wütend, weil sie vor mir nicht schwach aussehen will.
>>Und wenn es andersrum wäre? Wenn du dich in ihn verliebt hättest und nicht in mich? Hättest du dann für mich auch Rücksicht genommen? Oder tust du es nur, weil du seinen Schmerz spüren kannst und dich das fertig macht?<< Ich sehe in ihre Augen. Und sie sieht erschrocken zurück. Mit dieser Frage hat sie nicht gerechnet. Wahrscheinlich hat sie selbst nicht einmal darüber nachgedacht.
Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, schließt ihn jedoch dann wieder. Das ist mir Antwort genug.
>>Ich verstehe.<<, sage ich und drehe mich um, damit sie nicht sieht, wie sehr mich das verletzt.
>>Navin...<<, sagt sie, doch ich lass sie nicht weiter reden.
>>Lass gut sein, Rumer. Such deine Freunde.<< Ich schnappe mir meinen Bogen und meinen Köcher. >>Ich gehe jagen.<<
Bevor sie etwas erwidern kann, bin ich auch schon im Wald verschwunden.
Wütend und verletzt stapfe ich durchs Dickicht und bin dabei so laut, dass ich alle Beutetiere im Umkreis garantiert verschrecke, doch das ist mir egal. Alles ist mir egal.
Bis ein ohrenbetäubender Schrei ertönt und mich zurück in die Wirklichkeit reißt.

Samstag, 8. Juni 2013

Rumer (41.)

>>Hör auf damit! Wir müssen uns konzentrieren!<<, fauche ich Navin an, als er mich in den Nacken küsst.
Er seufzt und lässt seine Arme sinken, die er mir von hinten um die Taille geschlungen hatte. >>Was soll denn bitte schön passieren? Glaubst du wir werden von Schnecken angegriffen?<<, fragt er sarkastisch und sieht mich herausfordernd an. Er will mich provozieren. Viel Spaß dabei.
>>Ja, natürlich. Die Schnecken in den Strahlungzonen hier in der Nähe sollen Säureschleim ausstoßen. Hast du das noch nicht gehört?<<, frage ich tot ernst und für einen Augenblick scheint er ehrlich darüber nachzudenken, dass ich vielleicht die Wahrheit sage, aber dann kann ich mich nicht länger zusammen reißen und fange an zu lachen.
>>Du blöde Kuh!<<, knurrt Navin lachend und schleudert mich im Kreis herum.
Als er mich wieder absetzt, lachen wir beide und ich fühle mich unglaublich... glücklich.
>>Wir müssen jetzt echt weiter.<<, sage ich, doch Navin ignoriert das und küsst mich, was ich für ungefähr fünf Sekunden zulasse, bevor ich ihn von mir weg schiebe. >>Hör jetzt auf mit dem Unsinn, du Penner!<<
>>Du hast recht. Das hat auch noch Zeit bis später.<<, meint er und hebt einen Mundwinkel zu einem spitzbübischen Lächeln. Mir schießt die Röte in die Wangen und ich drehe mich weg, damit er es nicht sieht und gehe weiter.
Wir haben uns ungefähr fünf Tage Pause gegönnt und sind in der Zeit nicht weiter gezogen. Das war nötig und ziemlich erholsam, aber darum liegen wir jetzt auch etwas zurück. Natürlich bleibt uns noch genug Zeit, bis wir beim Treffpunkt sein müssen, aber ich möchte lieber etwas früher da sein, damit ich die Lage auskundschaften kann und schon mal mit der Umgebung vertraut werde, wenn wir uns dort länger aufhalten werden.
Ich kann nur hoffen, dass Chazz es schafft wenigstens ein paar Ausgestoßene zu überreden uns zu helfen. Es kann nicht sein, dass niemand von ihnen bereit ist etwas gegen die Leute zu unternehmen, die unsere Leben zerstört haben. Wobei ich vergleichsweise noch gut davon gekommen bin. Ich habe keine körperlichen Entstellungen und will kämpfen. Da müssten doch gerade sie, die von der gesamten Gesellschaft verstoßen werden, endlich etwas unternehmen wollen. Wir waren alle nur Versuchskaninchen und niemand hat uns geholfen. Wir wissen, was für Qualen man in dem Labor durchleiden muss. Wir können nicht zulassen, dass das noch anderen angetan wird. WIR MÜSSEN KÄMPFEN! Und ich bin bereit für die Sache zu sterben.
Navin legt mir eine Hand auf die Schulter. >>Hey. Alles okay?<<
Verwirrt sehe ich ihn an und merke erst jetzt, dass ich am ganzen Körper zitter. Ich schließe die Augen und versuche mich zu beruhigen, was mir nicht so recht gelingen will. Verdammt!
>>Ganz ruhig. Ich bin da.<<, flüstert Navin und nimmt mich in die Arme. Ich atme seinen Geruch ein und schmiege mein Gesicht an seine Brust. In mir wird es ganz still und meine Gedanken kommen zum Stillstand. Geborgenheit durchströmt jede Faser meines Körpers und das Zittern ebbt ab.
>>Danke.<<, murmele ich in sein Shirt und ziehe ihn enger an mich.
>>Keine Ursache.<<, sagt er und küsst mich auf den Scheitel.
Wie kommt es, dass ich diesen Jungen, der jahrelang mein Jagdpartner war, nie richtig gesehen habe? Ich habe ihn immer nur als großkotzigen Idioten gesehen, der blöde Sprüche von sich gibt, um mich zu ärgern und niemals den Menschen dahinter erkannt. Ich kann mir nicht erklären, warum es so lange gedauert hat, aber ich bin froh, dass mir endlich die Augen geöffnet wurden. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde.
>>Ich liebe dich.<<, flüstere ich und sehe ihn an.
Er lächelt und beugt sich runter, um mich zu küssen, doch plötzlich werde ich von einer Welle von Zorn überrollt, die mich in die Knie zwingt. Ich schreie und presse mir die Hände an die Schläfen.
Navin ist sofort neben mir und legt mir einen Arm um die Schultern. >>Was ist los?<<
Ich kann nicht antworten. Die Schmerzen in mir sind zu stark und einen Augenblick, weiß ich selbst nicht vorher sie kommen, bis mir auffällt, dass es nicht mein eigener Schmerz ist. Es ist der von Keeden.
Das kann nur eines bedeuten.
>>Sie sind hier.<<, presse ich durch zusammengebissene Zähne hervor und versuche Keedens Gefühle auszuschließen, aber es funktioniert nicht. Vielmehr kommt es mir so vor, als würde ich sie dadurch nur noch verstärken.
Und dann wird mir klar, woher sein Schmerz rührt. Ich habe Navin meine Liebe gestanden. Weil ich sie  gefühlt habe. Das heißt Keeden hat sie auch gespürt, wenn er in der Nähe ist.
Ich habe ihm das Herz gebrochen.

Sonntag, 26. Mai 2013

Livvy (40.)

Die Sonne brennt mir auf den Rücken, als ich aus dem Schatten des Waldes auf eine Lichtung trete. Ich kann es kaum erwarten wieder in den Schutz der Bäume einzutauchen. Wir sind seid ein paar Stunden unterwegs. Keeden ist ein paar Schritte vor mir und Dereck.
Er hat ein ziemliches Tempo vorgelegt und jetzt merke ich, wie meine Kondition in den letzten Wochen nachgelassen hat.
>>Können wir eine Pause machen? Liv atmet schon, als wäre sie durchgehend gesprintet.<<, ruft Dereck Keeden zu.
>>Mir geht´s gut Dereck.<< Aber er schnappt sich meinen Arm und hindert mich am weitergehen. Keeden dreht sich zu uns um. Der Ausdruck auf seinem Gesicht spiegelt Ungeduld wieder.
>>Sorry Keeden, aber ich darf nicht weiter.<< Schnaubend verdreht er die Augen.
Dereck holt eine Flasche Wasser aus seiner Tasche und reicht sie mir.
>>Du bist nicht ihre Mutter, Dereck.<<, stachelt Keeden und lächelt provozierend.
Kurz darauf landet ein kleiner Stein an seinem Kopf. >>Hey, nicht so aggressiv! Ich würde ja jetzt zurückwerfen, aber man schlägt keine Mädchen.<<
>>Ihr seid beide kleine zickige Prinzessinnen.<<, lache ich und knuffe Dereck in die Seite.
>>Lasst uns weiter gehen, solange es noch hell ist.<< Keeden schnappt sich seine Tasche und sieht Dereck erwartungsvoll an.
Er nickt und steckt die Wasserflasche wieder ein. Also laufen wir weiter.
Kurze Zeit später hält Keeden ein weiteres Makierungsband in der Hand. Ich fange einen kleinen Freundentanz an und er setzt lachend und jauchzend mit ein. Dereck schüttelt ungläubig mit dem Kopf. >>Ich bin mit zwei geistig Gestörten unterwegs. Wie konnte es bloß soweit kommen?!<<
Wir sind auf dem richtigen Weg. Jedes Band ist ein Fünkchen Hoffnung für uns, dass wir sie finden. Vor allem Keeden und ich sind jedes mal ganz euphorisch.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob Rumer das gleiche empfindet, wie Keeden. Ihm kann man seine Gefühle für sie in seinem Gesicht ablesen. Aber bei Ru gibt es noch Navin. Wenn wir sie wiedersehen muss ich dringend mal mit ihr reden. Naja, wahrscheinlich wird sie das nicht so toll finden, wenn ich sie auf ihre Gefühle anspreche.
Sie hat sich seit dem Genlabor eine dicke Mauer aufgebaut, die nur selten mal ein paar Risse bekommt. In gewisser Hinsicht haben wir alle nach dieser schrecklichen Zeit einen Schutzwall errichtet. Aber Rumers Selbstschutz ist stark. Meiner hingegen ist so zerbrechlich, wie mein Selbstbewusstsein.
Es gibt Tage, an denen ich am liebsten mit ihr tauschen würde. Nur um zu wissen, was sie denkt oder was sie im Inneren fühlt. Ich bin mir sicher, dass sie eigentlich sehr zerbrechlich ist.
Die Sonne verschwindet langsam hinter den Wipfeln der Bäume. Wir beschließen unser Lager für die Nacht aufzubauen. Während ich Holz für das Lagerfeuer sammle, baut Dereck die beiden Zelte auf. In der Zwischenzeit geht Keeden unser Abendessen jagen. Bei dem Gedanken daran zieht sich mein Bauch zusammen und gibt ein wütendes Knurren von sich. >>Ist ja gut! Du kriegst bald was zu essen.<<, murmel ich meinem Bauch besänftigend zu.
>>Redest du mit mir?<< Derecks Arme legen sich von hinten auf meine Schultern und ziehen mich an seine warme Brust.
>>Nein eigentlich nicht. Ich versuche gerade meinen Bauch zu beruhigen.<<
>>Ich wette, dass ich viel mehr hunger habe.<< Wie auf ein Stichwort knurrt sein Bauch.
>>Achja? Ich wette dagegen.<<
>>Willst du dich mit mir anlegen?<<
>>Schon möglich.<<
>>Respekt. Hätte nicht gedacht, dass du dich das traust.<< Er dreht mich zu sich um und nimmt mich grinsend in die Arme. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und atme seinen Geruch ein. Er riecht nach Zirtonenmelisse, Wald und Schweiß. Ich könnte mich in diesem Moment verlieren, wenn Keeden nicht lachend aus dem Gebüsch humpeln würde.
>>Ich hab ein Reh erwischt, aber es hat nach mir getreten, als es auf dem Boden lag.<< Seine Stimme wirkt etwas hysterisch, aber das kann auch nur meine Einbildung gewesen sein. Ich löse mich aus Derecks Armen und gehe auf ihn zu. Der leblose Körper des Rehs liegt neben ihm auf dem Boden und er hält sich seinen Oberschenkel.
>>Setzt dich schonmal ans Feuer.<<, sage ich ihm und hole meinen Medizinbeutel aus dem Zelt. >>Zieh mal deine Hose aus, dann kann ich das besser sehen.<< Keeden macht, was ich gesagt habe, ohne auch nur ansatzweise rot zu werden.
>>Es hat dich nicht tief getroffen. Nur leicht gestreift.<< Ich krame nach dem Kandarukraut und werde schnell fündig. Das große Blatt passt perfekt auf die leicht blutende Wunde und ich binde es mit einem Verband fest.
>>Danke Liv.<<, flüstert Keeden und lächelt.
>>Dafür nicht.<<, antworte ich und bringe den Beutel zurück ins Zelt. In der Zwischenzeit hat Dereck das Rehfleisch vorbereitet und angefangen es zu Braten.
>>Alles klar mein Engel? Wird Keeden es überleben?<<
>>Jap, ist alles bestens. So wie es aus sieht wird er wieder gesund. Ist das Fleisch bald fertig? Sonst muss ich dich gleich essen.<<
>>Ja, das ist sofort fertig. Aber bitte esse mich nicht. Bitte, ich bin noch zu jung, um zu sterben.<<
>>Du Spinner.<< Ich wuschel ihm lachend durch seine goldbraunen Haare.
Während des Essens schweigen wir. Die Sonne ist untergegangen und die Luft kühlt ab. Ein leichter Wind zieht auf und ich fange an zu zittern.
Ich fange an mich zu entspannen und merke, wie sehr der heutige Tag meine Kräfte geraubt hat. Der Abschied von Willow ist mir sehr schwer gefallen, aber Chazz hat versprochen, uns nachzukommen, sobald er die anderen von Rumers Idee überzeugt hat.
Der lange Fußmarsch und die Hitze haben es für mich auch nicht erträglicher gemacht. Als ich mich aufrichte, um schlafen zu gehen, merke ich wie meine Muskeln rebellieren. Na super, morgen wird das noch schlimmer werden.
>>Ich komme gleich nach, okay? Ich bin noch nicht ganz so müde.<<, sagt Dereck, als ich ihn an der Hand mitziehen will. Also lasse ich die beiden Kerle am Lagerfeuer zurück und gehe mich fürs Bett fertig machen. Nachdem ich vom Zähneputzen zurück bin, mummel ich mich in meinen Schlafsack. Schon wenige Augenblicke später schlafe ich erschöpft ein.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Entschuldigung.

Tut uns sehr leid, dass in den letzten Wochen nichts gekommen ist.
Wir hatten alle Hände voll zu tun, mit unseren Klausuren.
Aber Sonntag geht es dann (hoffentlich) endlich weiter.

Mit freundlichen Grüßen
Euer Angens-Team

Mittwoch, 8. Mai 2013

Rumer (39.)

Es ist jetzt zwei endlos lange Tage her, seit Navin mir gesagt hat, dass er mich liebt. Ich weiß noch, wie wir da gestanden und uns einfach angesehen habe, während ich versucht habe seine Worte zu verarbeiten. Mein Herz schlug wie verrückt und ich hatte Angst es würde mir jeden Augenblick aus der Brust springen.
Irgendwann hat er gelächelt, seine Tasche und das Zelt genommen und wir sind weiter gegangen. Seit dem war es eigentlich... normal zwischen uns. Also nicht Navin-der-Penner-macht-anzügliche-Bemerkungen-Normal, sondern Navin-ist-mein-Verbündeter-Normal, was eigentlich auch nicht wirklich normal ist, aber wohl immer noch besser, als die Alternative die ganze Zeit peinliches Schweigen zwischen sich zu haben.
Wir sind gerade auf der Jagd. Getrennt. Das war seine Idee. Navin meinte so haben wir größere Chancen auf Beute, da diese in der Nähe der Strahlungszonen durch die mutierten Tiere eher gering ausfällt.
Die Strahlungszonen sind die Gebiete, die von den Atomkriegen im Jahr 2034 noch nicht bereinigt werden konnten, da die Mutationen keine Reinigungsteams in die Nähe gelassen haben. Darum wurden sie so gelassen und die Nevuloge so weit entfernt wie möglich errichtet, um Angriffe durch die Mutanten zu meiden. Nur total lebensmüde Leute oder komplette Idioten gehen in die Nähe der Zonen. Oder natürlich Leute, die keine Angst haben, wie wir.
Ich schleiche durchs Gestrüpp und halte die Augen nach Beute offen. Bis jetzt habe ich nur zwei Rehkadaver gefunden, die wahrscheinlich von Känguru-Ratten gefressen wurden. Das sind biestige kleine Viecher, die aussehen wir Ratten, nur da sie ungefähr dreimal so groß sind. Und als wäre das noch nicht genug können sie auch noch bis zu drei Meter hoch springen. Einem Rudel davon möchte man nicht gerne begegnen.
Dann nehme ich eine Bewegung wahr und ziele mit meinem gespannten Boden in die Richtung. Ein Wildhuhn hüpft ahnungslos aus einem Gebüsch und pikt auf dem Boden rum. Ich visiere es an und innerhalb kürzester Zeit steckt mein Pfeil in seinem Herz. Es ist sofort tot. Ich gehe rüber, stecke den Pfeil zurück in meinen Köcher und binde das Huhn an meinem Gürtel fest, da meine Tasche voll ist.
Erst überlege ich noch weiter zu suchen, aber dann entscheide ich mich dagegen, da es eh keinen Sinn hat. Hier ist viel zu wenig Beute. Also kehre ich um und gehe zurück zu dem Ort, wo Navin und ich uns getrennt haben.
Der Weg dauert eine Weile und ich nutze die Zeit um über ein paar Dinge nachzudenken, wie so oft in den letzten Tagen. Nur denke ich dieses Mal nicht an meine Freunde, sondern ich denke über Navin nach. Als er mich geküsst hat und ich ihn, habe ich eindeutig etwas gespürt. Da ist etwas zwischen uns. Aber da ist auch noch Keeden. Er ist mein bester Freund und ich möchte ihn nicht verletzen.
Ein Knacken hinter mir lässt mich zusammenfahren und bevor ich mich umdrehen kann, spüre ich, dass ein spitzer Gegenstand in meinen Rücken drückt.
Dann kann ich fühlen, wie warmer Atem meinen Nacken streift und ich schaudere.
>>Das ist nicht witzig, Navin!<<, beschwere ich mich und drehe mich zu ihm um.
Er sieht enttäuscht aus und lässt seinen Bogen sinken. >>Woher wusstest du, dass ich es bin?<<
>>Intuition.<<, meine ich und strecke ihm die Zunge raus.
>>Ach ja? Vor zwei Tagen sah das mit deiner Intuition noch ganz anders aus.<< Er hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln und sieht mich provozierend an.
>>Du bist so ein Idiot!<<, zische ich und will gehen, doch er packt mich am Ellenbogen.
>>Warte! Wir sollten das jetzt endlich mal klären.<<
Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe ihn an. Er hat recht. Wir müssen das klären. >>Okay. Worüber willst du reden?<<
Er redet nicht lange um den heißen Brei herum und stellt direkt die elementarste Frage: >>Was hat der Kuss für dich bedeutet?<<
Zögerlich antworte ich: >>Ich... ich weiß es nicht.<<
Navin schnaubt und schüttelt den Kopf. >>Rumer, ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Ich habe die Karten offen auf den Tisch gelegt. Kannst du mir nicht wenigstens diese eine Frage beantworten? Richtig beantworten?<<
>>Ich bin verwirrt, okay? Ich weiß einfach nicht, was es für mich bedeutet hat.<< Hoffentlich bemerkt er die Lüge nicht.
>>Du kannst mich nicht anlügen, Kleines. Dafür kenne ich dich viel zu gut.<<, sagt er und hebt fragend eine Augenbraue. Mist! Er hat mich durchschaut. Hätt ich mir auch denken können!
>>Ja, okay. Hast ja recht. Es ist nur... Ich hab Gefühle für dich.<<, beginne ich und bekomme damit augenblicklich seine volle Aufmerksamkeit. >>Gefühle, die über reine Freundschaft hinausgehen. Aber ich habe Angst davor.<<
>>Du willst nicht verletzt werden.<<, stellt er nüchtern fest.
>>Ja. Nein. Es ist einfach... Ich möchte Keeden nicht verletzen.<<, platzt es aus mir heraus.
>>Ist das der Idiot, der dich immer so anschmachtet?<<, fragt Navin und grinst. Ich nicke. >>Oh mahn. Er ist doch aber nicht hier. Er muss es nicht erfahren.<<
>>Aber er und die anderen kommen nach.<<, erinnere ich ihn.
>>Na und? Wir können bis dahin unseren Spaß haben. Und danach...<< Er kommt einen Schritt näher, so dass er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt ist. >>Halten wir es geheim.<< Er küsste mich. Eigentlich streifen seine Lippen nur ganz leicht die meinen, aber diese Berührung reicht, um meinen Magen in Aufruhr zu versetzen. >>Was hältst du davon?<<
Mein Kopf sagt mir, dass ich das schlecht finden sollte, trotzdem sage ich: >>Klingt gut.<< Dann ist es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei und ich schlinge meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Dieses mal richtig.
Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war, aber es fühlt sich so verdammt gut an. Das kann doch nicht falsch sein. Oder?

Sonntag, 5. Mai 2013

Livvy (38.)

Ich werde von Dereck geweckt, der versucht meinen Kopf vorsichtig von seiner Brust zu heben. Draußen höre ich die Vögel munter vor sich hin zwitschern, ein Geräusch, bei dem ich sofort entspanne.
>>Guten Morgen<<, sage ich zu Dereck und gähne herzhaft.
>>Morgen Engel. Hab ich dich geweckt?<< Er beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss, den ich lächelnd entgegen nehme.
>>Ich wäre sowieso bald aufgewacht.<<, antworte ich, während ich ihm über seine Haare wuschel. Er fängt an zu lachen und drückt mich zurück auf den Zeltboden. Er liegt halb auf mir, sodass ich unter ihm gefangen bin. Jetzt fange ich auch an zu lachen und küsse seine Nasenspitze.
Daraufhin beginnt er damit, meine Wangen und meinen Hals abwärts zu küssen. Jede Berührung seiner Lippen auf meiner Haut fühlt sich an wie ein Feuerschwall. Doch plötzlich hört er auf mich mit diesem Gefühl zu beschenken und richtet sich auf.
>>Wir sollten frühstücken gehen, damit du wieder zu Kräften kommst. Sonst lasse ich dich nicht losgehen.<< Er grinst und zwei kleine Grübchen kommen auf seinen Wangen zum Vorschein, auf die mein Herz mit einem extra Hüpfer reagiert.
>>Man, wieso immer wenn es gerade am Schönsten ist.<<, schmolle ich und knuffe ihm in die Seite. >>Weil ich einfach das perfekte Timing drauf habe.<< Das Argument tröstet mich nur wenig, dennoch lasse ich mich von ihm mit zum Frühstücksplatz ziehen.
Während ich esse, denke ich über Rumer nach. Sie hat uns zwar den Weg mit dem grünen Band markiert, aber was ist, wenn wir sie trotzdem nicht wiederfinden. Was ist, wenn sie von irgendwelchen Tieren angegriffen wird. Immerhin nähern sie und Navin sich gerade einer Strahlungszone.
Sie könnte sich beim Jagen verletzten oder am Feuer verbrennen.
Nein! Das kann ich nicht zulassen. Rumer gehört zu meiner Familie. Ich bin so blöd, warum hab ich sie denn alleine losziehen lassen. Auch die Tatsache, dass sie Navin bei sich hat, beruhigt mich in Moment nur wenig.
>>Alles klar bei dir Liv?<<, fragt Keeden besorgt. Noch halb in meinen unschönen Gedanken versunken nicke ich.
>>Sieht aber gerade nicht so aus. Erzähl, was bedrückt dich?<<, hakt er nach und stupst mir mit seinem Ellenbogen in die Seite. Ich schaue mich um. Dereck sitzt nicht mehr neben mir. Mir fällt auf, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass er gegangen ist.
>>Keine Sorge, er ist nur kurz zu Chazz gegangen. Und ich erzähl ihm auch nicht, was du mir jetzt sagst, wenn du das nicht willst<<, zwinkert er mir zu. Es ist ein gutes Gefühl mal mit einem Freund über seine Gedanken zu reden.
>>Also, ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich zugelassen habe, dass Rumer und Navin alleine losziehen.<< Bei diesem Thema verdunkelt sich die eben noch so zufriedene Miene von Keeden. >>Und ich habe ständig irgendwelche Tagträume, in denen Rumer sich verletzt, oder sie dabei ist zu sterben.<< Verzweifelt sehe ich Keeden in seine grau grünen Augen.
>>Rumer und sich verletzten. Darüber solltest du dir nicht den Kopf zerbrechen. Was mich viel mehr stört ist, dass sie mit diesem Penner alleine unterwegs ist. Dieser kleine Dreckssack vögelt doch jede, die bei drei nicht auf dem Baum sitzt.<< Er schnaubt verächtlich. >>Aber um Ru brauchst du dir keinen Kopf zu machen Livvy. Ich meine Rumer! Weltmeisterin der Überlebenskunst höchst persönlich. Und das solltest du eigentlich wissen.<< Er tätschelt mir auf den Kopf, um zu verdeutlichen, dass diese Gedanken total absurd waren.
Dann schaut er hoch und ich folge seinem Blick. Dereck liegt bauchlängs auf dem Boden und Keeden prustet los. Auch Dereck fängt lauthals an zu lachen und dreht sich den Bauch haltend zur Seite.
>>Was suchst du denn da auf dem Boden?<<, fragt Keeden und holt tief Luft.
Mit rotem Tomatenkopf richtet Dereck sich auf und klopft sich den Staub von seinen Shorts. Dann räuspert er sich. >>Äh, also da lag eine tollwütige Wurzel, die sich in meinem Fuß verbissen hat. Sie war so stark, das hat mich glatt zu Boden gerissen.<<, antwortet er. Er scheint stolz über seine so fantasievolle Ausrede zu sein, denn er läuft, naja eher stolziert, erhobenen Kopfes zu mir.
>>Du Spinner.<< Ich knuffe ihm lachend in seinen Bauch.
>>Nein wirklich! Du kannst froh sein, dass sie mich nicht ganz aufgefressen hat.<< Seine Lippen verziehen sich zu einem beleidigten Schmollen.
>>Oh, du Armer.<<, sage ich und wuschel ihm durch sein goldbraunes Haar.
>>Na warte Fräulein!<< Dereck springt auf und zieht mich auf die Beine. Dann beginnt er damit, mich überall durchzukitzeln. Ich zucke, lache und kreische, wie ein kleines Kind.
Einige Zeit später liegen wir immer noch lachend auf dem Boden. Ich drehe mich zur Seite, um ihm besser in seine graugrünen Augen sehen zu können. Sie reflektieren das Licht der Sonne und funkeln wie kleine Kristalle. Ich könnte sie den ganzen Tag ansehen und mich restlos in ihnen verlieren. Langsam beruhige ich mich und auch Dereck hört auf zu lachen. Jetzt lächelt er sein honigsüßes Grüpchen-Grinsen, was mir Gänsehaut auf die Arme bringt.
Seine Finger streichen mir eine meiner braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Seine Lippen berühren erst zaghaft meinen Hals und meine Wangen. Bei meinen Lippen angelangt werden die Küsse voller Drang und Liebe. Seine Hände wandern unter mein Shirt und meine Haut fängt überall da an zu kribbeln, wo seine Finger sie berühren.
>>Oh Gott. Leute sucht euch ein Zimmer!<< Keeden sieht uns kopfschüttelnd an. >>Hier laufen auch Kinder rum.<<
Dereck nimmt seine Hände von meiner Hüfte und streicht grinsend mein Shirt glatt.
>>Du bist ja bloß frustriert, weil wir hier unseren Spaß haben und du schon seit Ewigkeiten kein Mädchen mehr geküsst hast.<<, sagt er ein wenig provokant.
Keeden wird rot und schüttelt den Kopf. >>So lange ist das noch gar nicht her. Vor ein paar Tagen sogar erst.<<, sagt er zufrieden.
>>Echt?<<, frage ich ungläubig, >>Wer hat sich denn auf dich eingelassen?<<
>>Das wüsstest du wohl gerne.<<, sagt er und streckt und sie Zunge raus.
>>Ja, das wüsste ich wirklich gerne.<<, antworte ich lachend und stütze mich auf meine Arme. Dereck setzt sich ebenfalls neugierig auf.
>>Also Rumer hat mich geküsst.<< Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Geschockt sehe ich Dereck an, der mir mit dem gleichen Gesichtsausdruck entgegenblickt.
>>Ich glaube ihr solltet mal wieder von Kumpel zu Kumpel reden, meinst du nicht?<<, flüstere ich Dereck zu. Er nickt und gibt mir einen flüchtigen Kuss. Nichts im Vergleich zu den Küssen, die wir vorhin hatten. Er steht auf und geht zu Keeden.
Ich sehe ihm noch kurz nach. Meine Gedanken kehren zu Rumer und Navin zurück. Ich kann nicht noch länger warten. Sonst wird der Abstand zwischen uns immer größer und die Gefahr, dass wir sie nicht wiederfinden steigt mit jedem Schritt, den sie gehen.
Von Eile angetrieben springe ich auf und laufe zu meinem Zelt. Schnell öffne ich den Reißverschluss und lasse mich vor meiner Tasche auf die Knie fallen. Ich schnappe mir all meine Sachen und sortiere sie ordentlich in die Tasche. Die Tatsache, dass ich selbst wenn ich es eilig habe, noch ordentlich bin, bringt mich zum schmunzeln. In Gedanken noch bei Rumer merke ich gar nicht, dass Dereck sich an mich heranschleicht. Er knufft mir in die Seiten und ich quieke erschrocken.
>>Was machst du denn da?<<, fragt er neugierig.
>>Wir brechen auf. Ich bin wieder startklar und kann nicht länger warten. Entweder kommen du und Keeden mit mir mit, oder ich gehe eben alleine.<<, antworte ich in dem Wissen, dass er mich nie alleine losziehen lassen würde.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Rumer (37.)

Ich wache, in meinen Schlafsack gehüllt, auf. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das dämmrige Licht und ich drehe den Kopf zur Seite. Navin liegt schlafend neben mir, seine Brust hebt und senkt sich in gleichmäßigen Abständen. Er sieht so friedlich aus, wenn er schläft, dass ich ihn nicht wecken will. Also stehe ich leise auf und krabbel aus dem Zelt. Weil Livvy unser Zelt noch braucht, haben Navin und ich nur eins mit dabei, was bis jetzt ganz gut funktioniert. Und wenn er meint, wieder dumme Sprüche klopfen zu müssen, dann ist er es, der draußen im Freien schläft, darauf kann er sich verlassen.
Das Feuer gestern Abend, haben wir angelassen, weil wir uns wieder einer Strahlungszone nähren und die mutierten Tiere nur vor Feuer Angst haben. Mittlerweile ist das Feuer zwar schon längst aus, aber wir wurden ja auch nicht angegriffen, also hat der Plan geklappt.
Gähnend strecke ich mich und überprüfe danach die Gegend in einem Umkreis von hundert Metern. Keine Angreifer. Keine Beute. Bis auf ein paar kleine Vögel in den Bäumen, die langsam anfangen zu singen, sind Navin und ich hier allein.
Seit einer Wochen, also seit unserem Aufbruch von den Ausgestoßenen, hat kein Mensch unseren Weg gekreuzt. Es erinnert mich daran, als ich mit Livvy vor dem Cazanara-Stamm geflohen bin. Dem einzigen Ort, wo ich ein richtiges Zuhause hatte.
Seit dem habe ich mich schon oft gefragt, wie es wohl wäre, wenn ich sie nicht wiedergesehen hätte. Wäre ich bis an mein Lebensende bei meinem Stamm geblieben und hätte mit Navin gejagt? Hätte ich Keeden und Dereck jemals wieder getroffen? Hätte Navin mich jemals geküsst? Hätte ich jemals angefangen in ihm mehr als meinen nervigen Jagdpartner zu sehen? Wäre das Loch in meiner Brust, dass meine Freunde damals nach der Flucht, als wir getrennt wurden, dort hinterlassen haben, jemals wieder geheilt? Hätte ich je aufgehört nach ihnen zu suchen?
Für die meisten Fragen habe ich keine Antworten, aber eins ist klar: Liv, Keeden und Dereck hätten mir immer gefehlt. So wie jetzt auch wieder. Sie sind meine Familie. Und ich hätte niemals aufgehört nach ihnen zu suchen.
Dieses Mal ist es leichter von ihnen getrennt zu sein, weil ich weiß, dass sie alle noch leben und dass sie nachkommen werden. In den letzten Tagen habe ich alle hundert Meter mit meinem grünen Fallenband einen Baum markiert, damit sie wissen, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
Nach dem ich meine Runde zu Ende gedreht habe, gehe ich zurück zum Lager, wo Navin schon dabei ist, dass Zelt abzubauen.
>>Guten Morgen.<<, sage ich, als ich näher komme.
Er blickt auf und grinst, was bei mir für ein Kribbeln in der Magengegend sorgt. >>Na. Gut geschlafen?<<
Ich nicke, verwirrt über meine Reaktion. Das geht schon länger so. Irgendwas hat sich zwischen Navin und mir verändert. Aber ich wage nicht zu sagen, was es ist. Ich knie mich hin und helfe ihm dabei die Plane einzurollen, was ungefähr so zu verstehen ist, dass er die einen beiden Enden festhält und ich die Plane einrolle. Als ich bei ihm ankomme, merke ich, dass er mich ansieht und erröte.
Was verdammt nochmal ist nur los mit mir?
Ruckartig stehe ich auf und mache mich daran die anderen Sachen, wie zum Beispiel mein Fallenband, wieder in meine Tasche zu packen. Navin steckt das Zelt in seinen Rucksack und beobachtet mich grinsend.
>>Hast du nichts besseres zu tun?<<, fauche ich ihn an und hänge mir meine Tasche um.
>>Nein, ich kann mir nichts besseres vorstellen, als dir dabei zu zugucken, wie du dich zum Affen machst.<< Sein Grinsen wird noch breiter.
>>Jetzt reicht's!<< Wütend gehe ich auf ihn zu und versuche ihn zu schlagen, aber er hat es kommen sehen und hält mein Handgelenk fest. Ich hole mit der anderen Hand aus, aber er ist wieder schneller. Halten wir fest: Er hat meine beiden Handgelenke umklammert und ich stehe nutzlos vor ihm rum. Verdammte Pattsituation.
Ich könnte ihm zwar in die Eier treten, aber ich habe Angst, dass er mir dann nicht mehr helfen würde. Und ich will nicht, dass er geht.
Also stehen wir einfach voreinander und sehen uns an.
Seine Augen sind grau, wie die aller anderen Menschen, die keine Angens sind, aber ich würde sie überall wieder erkennen. Diese Augen sind mir so vertraut, wie meine eigenen. Und trotzdem ist er für mich ein Rätsel. Seit ich ihn kenne, habe ich nie gelernt seine Handlungen oder Reaktionen außerhalb der Jagd vorauszusehen, so wie er es bei mir kann. Wie zum Beispiel seine nächste Frage, die mich vollkommen unvorbereitet trifft. >>Darf ich dich küssen, Rumer?<<
Mein Magen beginnt zu kribbeln und meine Hände werden ganz schwitzig. Bevor ich mich daran hindern kann, nicke ich.
Und dann legen sich seine Lippen auf meine und meine Knie geben nach, aber er schlingt seine Arme um mich und stützt mich, hält mich fest. Noch nie habe ich mich so sicher gefühlt.
Seine Lippen sind warm und weich und nach einem kurzen Zögern erwidere ich seinen Kuss. Ich lasse meine Hände, die nun wieder frei sind an seiner muskulösen Brust hochwandern und lege sie dann in seinen Nacken, um ihn noch näher an mich heran zu ziehen. Er stöhnt leise auf und lässt eine Hand in mein Haar gleiten.
Ich weiß nicht, wie lange wir uns so küssen, aber als er sich zurück zieht, kommt es mir viel zu kurz vor.
Navin ist außer Atem und auch ich habe Probleme Luft zu bekommen. Er legt seine Stirn an meine, wobei er sich wieder, wie eben beim Küssen, zu mir runter beugen muss und ein Lächeln umspielt seine Lippen.
Mein Magen spielt immer noch verrückt und ich versuche, dass, was da gerade geschehen ist zu verarbeiten. Er hat mich geküsst. Und ich habe ihn zurück geküsst. Und es hat mir gefallen.
>>Rumer?<<, flüstert er leise und ich sehe ihn nur fragend an, weil ich gerade nicht in der Lage bin irgendwas zu sagen. Er grinst, weil er genau weiß, was er bei mir ausgelöst hat und flüstert ganz leise: >>Ich liebe dich.<<

Fröhlichen 1. Mai, oder wie man das sagt :D

Heute geht es endlich weiter :)
Wir hoffen ihr freut euch schon genauso, wie wir :)
Um 14.30 Uhr kommt das nächste Kapitel. :)

Liebe Grüße,
Euer Angens-Team

Sonntag, 31. März 2013

Achtung!

Über April machen wir erstmal eine Pause mit dem Schreiben.
Ab Mai gehts dann mit der Geschichte weiter.

Sonntag, 24. März 2013

Dereck (36.)

>>Komm schon. Du musst was essen.<<, sage ich und reiche Livvy eine Schale Suppe. Seufzend setzt sie sich auf und nimmt sie endlich entgegen.
Seit Rumer weg ist, isst sie kaum noch etwas. Wahrscheinlich macht sie sich Sorgen, was verständlich ist, denn ich mache mir ebenfalls Sorgen, dass ihr vielleicht etwas zustoßen könnte, aber deshalb kann Liv ja nicht verhungern. Außerdem, egal was da draußen ist, es muss sich mehr vor Ru fürchten, als sie vor ihm. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, dann ist sie schwer aufzuhalten, geschweige denn davon abzubringen. Und dann sollte man sich ihr lieber nicht in den Weg stellen.
>>Was meinst du, wann wir los können?<<, fragt Liv und nimmt einen Löffel voll Suppe. Seit zwei Tagen fragt sie mich das ungefähr jede Stunde einmal.
>>Sobald es dir wieder besser geht. Und jetzt iss.<<
Sie lässt die Schale sinken. >>Aber mir geht es schon besser.<<
Ich seufze. >>Wir können übermorgen aufbrechen, wenn du bis dahin keinen Rückfall hast. Dann können wir morgen alles vorbereiten und gleich bei Sonnenaufgang aufbrechen.<<
Sie nickt und schlürft weiter ihre Suppe. Ich bleibe neben ihr sitzen, bis sie aufgegessen hat. Dann nehme ich die Schale und stelle sie zur Seite.
Liv schmiegt sich an mich und gähnt. Ich streiche ihr übers Haar und lege mich hin. Die letzen beiden Tage hat sich ziemlich oft, sehr lange geschlafen, aber das ist okay. So erholt sie sich wenigstens schneller.
>>Danke.<<, murmelt sie und legt ihren Kopf auf meine Brust.
>>Wofür?<<, frage ich und wickel mir eine ihrer Haarsträhnen um die Hand.
>>Dafür, dass du mich unterstützt. Und bei mir bist.<<
>>Das ist doch selbstverständlich.<<, sage ich und gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel.
Nach nicht einmal fünf Minuten ist sie eingeschlafen.
Livvy ist mir unglaublich wichtig. Und ich werde immer für sie da sein und sie in allem, was sie tut unterstützen. Egal, was es auch sein mag, denn ich weiß, dass sie das selbe für mich tun würde.
Ich ziehe vorsichtig, ohne sie aufzuwecken eine Decke über uns und flüstere dann, ganz leise: >>Ich liebe dich, Liv.<<
Ich weiß, dass sie es nicht hört, aber das ist mir egal. Mir ist nur wichtig es gesagt zu haben, denn es ist die Wahrheit.

Mittwoch, 20. März 2013

Rumer (35.)

Zugegebenermaßen war ich mir nicht ganz sicher, ob es die richtige Entscheidung ist nur mit Navin weg zu gehen und meine Freunde zurück zu lassen. Aber jetzt bin ich es. Wir sind gerade mal seit ein paar Stunden unterwegs und schon spüre ich, wie ich wieder mehr... ich selbst werde. In Navins Nähe ist das ganz einfach, weil er keine Anforderungen an mich hat oder falsche Vorstellungen und ihm muss ich auch nichts vorspielen, weil er ja jetzt leider weiß, wie kaputt ich bin. Außerdem ist es mir relativ egal, was er von mir denkt.
Aber er behandelt mich wie immer. Na ja, dass kann man jetzt sowohl positiv, als auch negativ sehen, aber ich finde es auf jeden Fall besser, als wenn er mich jetzt wie eine zerbrechliche kleine Blume behandeln würde. Das würde er bereuen und mit einem Pfeil im Arsch bezahlen müssen!
>>Wie geht es deiner Hand eigentlich?<<, frage ich und sehe ihn von der Seite an. Es ist jetzt einige Wochen her, dass ich ihm seine Hand mit einem Pfeil durchbohrt habe, weil er Livvy angreifen wollte, aber trotzdem empfinde ich jetzt erst sowas wie... Schuldgefühle.
>>Es wird besser. Sollte nicht mehr lange dauern, bis das ganze verheilt ist. Und solange ich wieder jagen kann, ist ja alles in Ordnung.<< Er grinst und geht weiter.
Ich glaube wir haben es noch nie so lange mit einander ausgehalten, ohne uns zu streiten. Muss ein neuer Rekord sein. Aber er scheint sich auch ganz schön zusammen zu reißen. Sonst haut er einen unangebrachten Kommentar nach dem anderen heraus. Aber jetzt... nichts. Wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja, das eine Weile so durch zu halten.
>>Also, wie sieht dein Plan aus?<<, fragt Navin nach einer Weile, als er gerade über einen umgestürzten Baum klettert.
>>Ehrlich gesagt habe ich noch keinen.<<, gestehe ich und versuche hinterher zu klettern, aber ich komme nicht hoch. Plötzlich taucht eine Hand vor meinen Augen auf. Ich ergreife sie. Navin, der oben auf dem Stamm sitzt, zieht mich hoch. >>Danke.<<
>>Kein Problem. Aber was soll das heißen, du hast noch keinen?<< Wir springen fast gleichzeitig runter und laufen dann weiter.
>>Na ja, ich hab mir noch nicht wirklich etwas überlegt. Ich weiß nur, dass wir das Labor stoppen müssen. Das wie, erschien mir vorerst nicht so wichtig.<< Ziemlich dumm im Nachhinein betrachtet.
>>Das bist mal wieder typisch du. Tatendrang ohne Ende, aber keine Strategie. Was hast du denn erwartet? Das wir da einfach reinspazieren, mit unseren Bögen und sie kampflos aufgeben?<<, fragt Navin und lacht. Ich werde wütend, aber er hat ja recht. Ich handel ziemlich oft unüberlegt, weil ich mich von meinem Temperament leiten lasse.
>>Natürlich nicht. Die haben neumoderne Waffen mit denen können wir nicht mithalten. Unsere einzige Möglichkeit ist im Prinzip entweder unerkannt rein zu kommen und das Labor Stück für Stück von innen zu zerstören, oder den Überraschungsmoment auszunutzen und sie zu überrumpeln, bevor sie überhaupt wissen, wie ihnen geschieht.<< Wow, wo kam das denn her? Ich habe gerade tatsächlich mal nachgedacht. Ich bin echt stolz auf mich.
Navin nickt anerkennend. >>Ganz genau. Aber da ich denke, dass die da ziemlich gute Sicherheitskontrollen haben, vor allem nach eurer Flucht, wird das mit dem einschleusen wohl nichts. Also müssen wir sie überrumpeln und dafür brauchen wir Hilfe.<<
Ich nicke langsam. Hoffentlich schafft Chazz es einige der Ausgestoßenen zu überreden. Sie sind zwar auch nicht viel besser bewaffnet, als wir, aber wenn wir genug Leute zusammen bekommen, ist das vielleicht gar nicht so wichtig.
>>Noch haben wir ja Zeit uns etwas zu überlegen, bis wir uns in einem Monat mit Chazz und hoffentlich noch mehr Verbündeten treffen. Bis dahin haben wir noch eine lange Reise vor uns.<<, sage ich und bleibe stehen, weil ich etwas gehört habe. >>Warte mal.<<, flüster ich und zücke meinen Bogen. Vorsichtig lege ich einen Pfeil auf und spanne ihn. Dann schleiche ich ein Stück in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Navin folgt mir, ebenfalls mit gespannter Waffe.
Na ein paar Metern finden wir uns am Rand einer Lichtung wieder, auf der eine Herde Rehe grasen. Navin und ich wechseln einen kurzen Blick und nicken uns dann zu. Dann geht es los.
Wie immer visieren wir erst das stärkste Tier an und schießen fast gleichzeitig. Es gibt einen gequälten Laut von sich und die anderen geraten in Panik. Das ist unsere Chance. Ich zücke meine Wurfmesser und schmeiße sie auf ein Reh, dass in unsere Richtung fliehen will. Ich verletzte ist an der Schulter und im Magen und es fällt hin. Navin schießt in der Zeit auf die Herde.
Ich springe auf dem Gebüsch und nehme den Kopf des Rehs in meine Hände. >>Tut mir leid, aber du hast dich für die falsche Richtung entscheiden.<<, murmele ich und breche ihm dann mit einem Ruck das Genick.
Mittlerweile sind die anderen Tiere panisch zu allen Seiten geflohen, so dass ich erkennen kann, dass Navin den Anführer erlegt hat. Mehr als zwei wäre ohnehin viel zu viel gewesen. Das Fleisch hält sich nicht solange, wenn man es nicht einlegt und wir haben keine Kräuter hier.
>>Wir sollten ein Feuer machen und das Fleisch zubereiten, dann haben wir nicht so viel zu schleppen.<<, schlägt Navin vor und wirft sich seine Beute über die Schulter, als wäre es nichts.
>>Okay. Am besten gehen wir dazu zurück zum Fluss. Dann können wir auch gleich unser Lager dort aufschlagen. Es wir bald dunkel und für heute haben wir genug Strecke zurück gelegt.<<
Er nickt und wir tragen unsere Beute zum Fluss. Na ja, Navin trägt seine Beute. Ich schleife meine hinter her, was mich ein wenig Zeit kostet. Als ich beim Fluss ankomme, hat Navin bereits ein schönes, prasselndes Feuer entzündet.
Schweigend setzen wir uns nebeneinander und fangen an die Beute zu häuten uns aus zunehmen. Es fühlt sich fast an, wie sonst immer, wenn gemeinsam von der Jagd kamen und beim Stamm am Lagerfeuer saßen. Nur, dass ich jetzt nicht mehr dorthin zurück kann. Leider.
>>Werden die vom Stamm sich nicht fragen, wo du bleibst?<<, frage ich Navin und sehe ihn an. Er wirkt nachdenklich.
>>Wahrscheinlich schon, aber mir wird schon was einfallen.<<, meint er nach einer Weile und widmet sich wieder seinem Hirsch.
>>Das könnte dir ne Menge Ärger einhandeln.<<, murmele ich und sehe ins Feuer.
>>Es wird mir sogar ganz sicher ne Menge Ärger einhandeln. Aber das ist es mir wert.<< Ich sehe ihn wieder an und er zwinkert mir zu.
Was sollte das jetzt wieder heißen?