Sonntag, 26. Mai 2013

Livvy (40.)

Die Sonne brennt mir auf den Rücken, als ich aus dem Schatten des Waldes auf eine Lichtung trete. Ich kann es kaum erwarten wieder in den Schutz der Bäume einzutauchen. Wir sind seid ein paar Stunden unterwegs. Keeden ist ein paar Schritte vor mir und Dereck.
Er hat ein ziemliches Tempo vorgelegt und jetzt merke ich, wie meine Kondition in den letzten Wochen nachgelassen hat.
>>Können wir eine Pause machen? Liv atmet schon, als wäre sie durchgehend gesprintet.<<, ruft Dereck Keeden zu.
>>Mir geht´s gut Dereck.<< Aber er schnappt sich meinen Arm und hindert mich am weitergehen. Keeden dreht sich zu uns um. Der Ausdruck auf seinem Gesicht spiegelt Ungeduld wieder.
>>Sorry Keeden, aber ich darf nicht weiter.<< Schnaubend verdreht er die Augen.
Dereck holt eine Flasche Wasser aus seiner Tasche und reicht sie mir.
>>Du bist nicht ihre Mutter, Dereck.<<, stachelt Keeden und lächelt provozierend.
Kurz darauf landet ein kleiner Stein an seinem Kopf. >>Hey, nicht so aggressiv! Ich würde ja jetzt zurückwerfen, aber man schlägt keine Mädchen.<<
>>Ihr seid beide kleine zickige Prinzessinnen.<<, lache ich und knuffe Dereck in die Seite.
>>Lasst uns weiter gehen, solange es noch hell ist.<< Keeden schnappt sich seine Tasche und sieht Dereck erwartungsvoll an.
Er nickt und steckt die Wasserflasche wieder ein. Also laufen wir weiter.
Kurze Zeit später hält Keeden ein weiteres Makierungsband in der Hand. Ich fange einen kleinen Freundentanz an und er setzt lachend und jauchzend mit ein. Dereck schüttelt ungläubig mit dem Kopf. >>Ich bin mit zwei geistig Gestörten unterwegs. Wie konnte es bloß soweit kommen?!<<
Wir sind auf dem richtigen Weg. Jedes Band ist ein Fünkchen Hoffnung für uns, dass wir sie finden. Vor allem Keeden und ich sind jedes mal ganz euphorisch.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob Rumer das gleiche empfindet, wie Keeden. Ihm kann man seine Gefühle für sie in seinem Gesicht ablesen. Aber bei Ru gibt es noch Navin. Wenn wir sie wiedersehen muss ich dringend mal mit ihr reden. Naja, wahrscheinlich wird sie das nicht so toll finden, wenn ich sie auf ihre Gefühle anspreche.
Sie hat sich seit dem Genlabor eine dicke Mauer aufgebaut, die nur selten mal ein paar Risse bekommt. In gewisser Hinsicht haben wir alle nach dieser schrecklichen Zeit einen Schutzwall errichtet. Aber Rumers Selbstschutz ist stark. Meiner hingegen ist so zerbrechlich, wie mein Selbstbewusstsein.
Es gibt Tage, an denen ich am liebsten mit ihr tauschen würde. Nur um zu wissen, was sie denkt oder was sie im Inneren fühlt. Ich bin mir sicher, dass sie eigentlich sehr zerbrechlich ist.
Die Sonne verschwindet langsam hinter den Wipfeln der Bäume. Wir beschließen unser Lager für die Nacht aufzubauen. Während ich Holz für das Lagerfeuer sammle, baut Dereck die beiden Zelte auf. In der Zwischenzeit geht Keeden unser Abendessen jagen. Bei dem Gedanken daran zieht sich mein Bauch zusammen und gibt ein wütendes Knurren von sich. >>Ist ja gut! Du kriegst bald was zu essen.<<, murmel ich meinem Bauch besänftigend zu.
>>Redest du mit mir?<< Derecks Arme legen sich von hinten auf meine Schultern und ziehen mich an seine warme Brust.
>>Nein eigentlich nicht. Ich versuche gerade meinen Bauch zu beruhigen.<<
>>Ich wette, dass ich viel mehr hunger habe.<< Wie auf ein Stichwort knurrt sein Bauch.
>>Achja? Ich wette dagegen.<<
>>Willst du dich mit mir anlegen?<<
>>Schon möglich.<<
>>Respekt. Hätte nicht gedacht, dass du dich das traust.<< Er dreht mich zu sich um und nimmt mich grinsend in die Arme. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und atme seinen Geruch ein. Er riecht nach Zirtonenmelisse, Wald und Schweiß. Ich könnte mich in diesem Moment verlieren, wenn Keeden nicht lachend aus dem Gebüsch humpeln würde.
>>Ich hab ein Reh erwischt, aber es hat nach mir getreten, als es auf dem Boden lag.<< Seine Stimme wirkt etwas hysterisch, aber das kann auch nur meine Einbildung gewesen sein. Ich löse mich aus Derecks Armen und gehe auf ihn zu. Der leblose Körper des Rehs liegt neben ihm auf dem Boden und er hält sich seinen Oberschenkel.
>>Setzt dich schonmal ans Feuer.<<, sage ich ihm und hole meinen Medizinbeutel aus dem Zelt. >>Zieh mal deine Hose aus, dann kann ich das besser sehen.<< Keeden macht, was ich gesagt habe, ohne auch nur ansatzweise rot zu werden.
>>Es hat dich nicht tief getroffen. Nur leicht gestreift.<< Ich krame nach dem Kandarukraut und werde schnell fündig. Das große Blatt passt perfekt auf die leicht blutende Wunde und ich binde es mit einem Verband fest.
>>Danke Liv.<<, flüstert Keeden und lächelt.
>>Dafür nicht.<<, antworte ich und bringe den Beutel zurück ins Zelt. In der Zwischenzeit hat Dereck das Rehfleisch vorbereitet und angefangen es zu Braten.
>>Alles klar mein Engel? Wird Keeden es überleben?<<
>>Jap, ist alles bestens. So wie es aus sieht wird er wieder gesund. Ist das Fleisch bald fertig? Sonst muss ich dich gleich essen.<<
>>Ja, das ist sofort fertig. Aber bitte esse mich nicht. Bitte, ich bin noch zu jung, um zu sterben.<<
>>Du Spinner.<< Ich wuschel ihm lachend durch seine goldbraunen Haare.
Während des Essens schweigen wir. Die Sonne ist untergegangen und die Luft kühlt ab. Ein leichter Wind zieht auf und ich fange an zu zittern.
Ich fange an mich zu entspannen und merke, wie sehr der heutige Tag meine Kräfte geraubt hat. Der Abschied von Willow ist mir sehr schwer gefallen, aber Chazz hat versprochen, uns nachzukommen, sobald er die anderen von Rumers Idee überzeugt hat.
Der lange Fußmarsch und die Hitze haben es für mich auch nicht erträglicher gemacht. Als ich mich aufrichte, um schlafen zu gehen, merke ich wie meine Muskeln rebellieren. Na super, morgen wird das noch schlimmer werden.
>>Ich komme gleich nach, okay? Ich bin noch nicht ganz so müde.<<, sagt Dereck, als ich ihn an der Hand mitziehen will. Also lasse ich die beiden Kerle am Lagerfeuer zurück und gehe mich fürs Bett fertig machen. Nachdem ich vom Zähneputzen zurück bin, mummel ich mich in meinen Schlafsack. Schon wenige Augenblicke später schlafe ich erschöpft ein.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Entschuldigung.

Tut uns sehr leid, dass in den letzten Wochen nichts gekommen ist.
Wir hatten alle Hände voll zu tun, mit unseren Klausuren.
Aber Sonntag geht es dann (hoffentlich) endlich weiter.

Mit freundlichen Grüßen
Euer Angens-Team

Mittwoch, 8. Mai 2013

Rumer (39.)

Es ist jetzt zwei endlos lange Tage her, seit Navin mir gesagt hat, dass er mich liebt. Ich weiß noch, wie wir da gestanden und uns einfach angesehen habe, während ich versucht habe seine Worte zu verarbeiten. Mein Herz schlug wie verrückt und ich hatte Angst es würde mir jeden Augenblick aus der Brust springen.
Irgendwann hat er gelächelt, seine Tasche und das Zelt genommen und wir sind weiter gegangen. Seit dem war es eigentlich... normal zwischen uns. Also nicht Navin-der-Penner-macht-anzügliche-Bemerkungen-Normal, sondern Navin-ist-mein-Verbündeter-Normal, was eigentlich auch nicht wirklich normal ist, aber wohl immer noch besser, als die Alternative die ganze Zeit peinliches Schweigen zwischen sich zu haben.
Wir sind gerade auf der Jagd. Getrennt. Das war seine Idee. Navin meinte so haben wir größere Chancen auf Beute, da diese in der Nähe der Strahlungszonen durch die mutierten Tiere eher gering ausfällt.
Die Strahlungszonen sind die Gebiete, die von den Atomkriegen im Jahr 2034 noch nicht bereinigt werden konnten, da die Mutationen keine Reinigungsteams in die Nähe gelassen haben. Darum wurden sie so gelassen und die Nevuloge so weit entfernt wie möglich errichtet, um Angriffe durch die Mutanten zu meiden. Nur total lebensmüde Leute oder komplette Idioten gehen in die Nähe der Zonen. Oder natürlich Leute, die keine Angst haben, wie wir.
Ich schleiche durchs Gestrüpp und halte die Augen nach Beute offen. Bis jetzt habe ich nur zwei Rehkadaver gefunden, die wahrscheinlich von Känguru-Ratten gefressen wurden. Das sind biestige kleine Viecher, die aussehen wir Ratten, nur da sie ungefähr dreimal so groß sind. Und als wäre das noch nicht genug können sie auch noch bis zu drei Meter hoch springen. Einem Rudel davon möchte man nicht gerne begegnen.
Dann nehme ich eine Bewegung wahr und ziele mit meinem gespannten Boden in die Richtung. Ein Wildhuhn hüpft ahnungslos aus einem Gebüsch und pikt auf dem Boden rum. Ich visiere es an und innerhalb kürzester Zeit steckt mein Pfeil in seinem Herz. Es ist sofort tot. Ich gehe rüber, stecke den Pfeil zurück in meinen Köcher und binde das Huhn an meinem Gürtel fest, da meine Tasche voll ist.
Erst überlege ich noch weiter zu suchen, aber dann entscheide ich mich dagegen, da es eh keinen Sinn hat. Hier ist viel zu wenig Beute. Also kehre ich um und gehe zurück zu dem Ort, wo Navin und ich uns getrennt haben.
Der Weg dauert eine Weile und ich nutze die Zeit um über ein paar Dinge nachzudenken, wie so oft in den letzten Tagen. Nur denke ich dieses Mal nicht an meine Freunde, sondern ich denke über Navin nach. Als er mich geküsst hat und ich ihn, habe ich eindeutig etwas gespürt. Da ist etwas zwischen uns. Aber da ist auch noch Keeden. Er ist mein bester Freund und ich möchte ihn nicht verletzen.
Ein Knacken hinter mir lässt mich zusammenfahren und bevor ich mich umdrehen kann, spüre ich, dass ein spitzer Gegenstand in meinen Rücken drückt.
Dann kann ich fühlen, wie warmer Atem meinen Nacken streift und ich schaudere.
>>Das ist nicht witzig, Navin!<<, beschwere ich mich und drehe mich zu ihm um.
Er sieht enttäuscht aus und lässt seinen Bogen sinken. >>Woher wusstest du, dass ich es bin?<<
>>Intuition.<<, meine ich und strecke ihm die Zunge raus.
>>Ach ja? Vor zwei Tagen sah das mit deiner Intuition noch ganz anders aus.<< Er hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln und sieht mich provozierend an.
>>Du bist so ein Idiot!<<, zische ich und will gehen, doch er packt mich am Ellenbogen.
>>Warte! Wir sollten das jetzt endlich mal klären.<<
Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe ihn an. Er hat recht. Wir müssen das klären. >>Okay. Worüber willst du reden?<<
Er redet nicht lange um den heißen Brei herum und stellt direkt die elementarste Frage: >>Was hat der Kuss für dich bedeutet?<<
Zögerlich antworte ich: >>Ich... ich weiß es nicht.<<
Navin schnaubt und schüttelt den Kopf. >>Rumer, ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Ich habe die Karten offen auf den Tisch gelegt. Kannst du mir nicht wenigstens diese eine Frage beantworten? Richtig beantworten?<<
>>Ich bin verwirrt, okay? Ich weiß einfach nicht, was es für mich bedeutet hat.<< Hoffentlich bemerkt er die Lüge nicht.
>>Du kannst mich nicht anlügen, Kleines. Dafür kenne ich dich viel zu gut.<<, sagt er und hebt fragend eine Augenbraue. Mist! Er hat mich durchschaut. Hätt ich mir auch denken können!
>>Ja, okay. Hast ja recht. Es ist nur... Ich hab Gefühle für dich.<<, beginne ich und bekomme damit augenblicklich seine volle Aufmerksamkeit. >>Gefühle, die über reine Freundschaft hinausgehen. Aber ich habe Angst davor.<<
>>Du willst nicht verletzt werden.<<, stellt er nüchtern fest.
>>Ja. Nein. Es ist einfach... Ich möchte Keeden nicht verletzen.<<, platzt es aus mir heraus.
>>Ist das der Idiot, der dich immer so anschmachtet?<<, fragt Navin und grinst. Ich nicke. >>Oh mahn. Er ist doch aber nicht hier. Er muss es nicht erfahren.<<
>>Aber er und die anderen kommen nach.<<, erinnere ich ihn.
>>Na und? Wir können bis dahin unseren Spaß haben. Und danach...<< Er kommt einen Schritt näher, so dass er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt ist. >>Halten wir es geheim.<< Er küsste mich. Eigentlich streifen seine Lippen nur ganz leicht die meinen, aber diese Berührung reicht, um meinen Magen in Aufruhr zu versetzen. >>Was hältst du davon?<<
Mein Kopf sagt mir, dass ich das schlecht finden sollte, trotzdem sage ich: >>Klingt gut.<< Dann ist es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei und ich schlinge meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Dieses mal richtig.
Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war, aber es fühlt sich so verdammt gut an. Das kann doch nicht falsch sein. Oder?

Sonntag, 5. Mai 2013

Livvy (38.)

Ich werde von Dereck geweckt, der versucht meinen Kopf vorsichtig von seiner Brust zu heben. Draußen höre ich die Vögel munter vor sich hin zwitschern, ein Geräusch, bei dem ich sofort entspanne.
>>Guten Morgen<<, sage ich zu Dereck und gähne herzhaft.
>>Morgen Engel. Hab ich dich geweckt?<< Er beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss, den ich lächelnd entgegen nehme.
>>Ich wäre sowieso bald aufgewacht.<<, antworte ich, während ich ihm über seine Haare wuschel. Er fängt an zu lachen und drückt mich zurück auf den Zeltboden. Er liegt halb auf mir, sodass ich unter ihm gefangen bin. Jetzt fange ich auch an zu lachen und küsse seine Nasenspitze.
Daraufhin beginnt er damit, meine Wangen und meinen Hals abwärts zu küssen. Jede Berührung seiner Lippen auf meiner Haut fühlt sich an wie ein Feuerschwall. Doch plötzlich hört er auf mich mit diesem Gefühl zu beschenken und richtet sich auf.
>>Wir sollten frühstücken gehen, damit du wieder zu Kräften kommst. Sonst lasse ich dich nicht losgehen.<< Er grinst und zwei kleine Grübchen kommen auf seinen Wangen zum Vorschein, auf die mein Herz mit einem extra Hüpfer reagiert.
>>Man, wieso immer wenn es gerade am Schönsten ist.<<, schmolle ich und knuffe ihm in die Seite. >>Weil ich einfach das perfekte Timing drauf habe.<< Das Argument tröstet mich nur wenig, dennoch lasse ich mich von ihm mit zum Frühstücksplatz ziehen.
Während ich esse, denke ich über Rumer nach. Sie hat uns zwar den Weg mit dem grünen Band markiert, aber was ist, wenn wir sie trotzdem nicht wiederfinden. Was ist, wenn sie von irgendwelchen Tieren angegriffen wird. Immerhin nähern sie und Navin sich gerade einer Strahlungszone.
Sie könnte sich beim Jagen verletzten oder am Feuer verbrennen.
Nein! Das kann ich nicht zulassen. Rumer gehört zu meiner Familie. Ich bin so blöd, warum hab ich sie denn alleine losziehen lassen. Auch die Tatsache, dass sie Navin bei sich hat, beruhigt mich in Moment nur wenig.
>>Alles klar bei dir Liv?<<, fragt Keeden besorgt. Noch halb in meinen unschönen Gedanken versunken nicke ich.
>>Sieht aber gerade nicht so aus. Erzähl, was bedrückt dich?<<, hakt er nach und stupst mir mit seinem Ellenbogen in die Seite. Ich schaue mich um. Dereck sitzt nicht mehr neben mir. Mir fällt auf, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass er gegangen ist.
>>Keine Sorge, er ist nur kurz zu Chazz gegangen. Und ich erzähl ihm auch nicht, was du mir jetzt sagst, wenn du das nicht willst<<, zwinkert er mir zu. Es ist ein gutes Gefühl mal mit einem Freund über seine Gedanken zu reden.
>>Also, ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich zugelassen habe, dass Rumer und Navin alleine losziehen.<< Bei diesem Thema verdunkelt sich die eben noch so zufriedene Miene von Keeden. >>Und ich habe ständig irgendwelche Tagträume, in denen Rumer sich verletzt, oder sie dabei ist zu sterben.<< Verzweifelt sehe ich Keeden in seine grau grünen Augen.
>>Rumer und sich verletzten. Darüber solltest du dir nicht den Kopf zerbrechen. Was mich viel mehr stört ist, dass sie mit diesem Penner alleine unterwegs ist. Dieser kleine Dreckssack vögelt doch jede, die bei drei nicht auf dem Baum sitzt.<< Er schnaubt verächtlich. >>Aber um Ru brauchst du dir keinen Kopf zu machen Livvy. Ich meine Rumer! Weltmeisterin der Überlebenskunst höchst persönlich. Und das solltest du eigentlich wissen.<< Er tätschelt mir auf den Kopf, um zu verdeutlichen, dass diese Gedanken total absurd waren.
Dann schaut er hoch und ich folge seinem Blick. Dereck liegt bauchlängs auf dem Boden und Keeden prustet los. Auch Dereck fängt lauthals an zu lachen und dreht sich den Bauch haltend zur Seite.
>>Was suchst du denn da auf dem Boden?<<, fragt Keeden und holt tief Luft.
Mit rotem Tomatenkopf richtet Dereck sich auf und klopft sich den Staub von seinen Shorts. Dann räuspert er sich. >>Äh, also da lag eine tollwütige Wurzel, die sich in meinem Fuß verbissen hat. Sie war so stark, das hat mich glatt zu Boden gerissen.<<, antwortet er. Er scheint stolz über seine so fantasievolle Ausrede zu sein, denn er läuft, naja eher stolziert, erhobenen Kopfes zu mir.
>>Du Spinner.<< Ich knuffe ihm lachend in seinen Bauch.
>>Nein wirklich! Du kannst froh sein, dass sie mich nicht ganz aufgefressen hat.<< Seine Lippen verziehen sich zu einem beleidigten Schmollen.
>>Oh, du Armer.<<, sage ich und wuschel ihm durch sein goldbraunes Haar.
>>Na warte Fräulein!<< Dereck springt auf und zieht mich auf die Beine. Dann beginnt er damit, mich überall durchzukitzeln. Ich zucke, lache und kreische, wie ein kleines Kind.
Einige Zeit später liegen wir immer noch lachend auf dem Boden. Ich drehe mich zur Seite, um ihm besser in seine graugrünen Augen sehen zu können. Sie reflektieren das Licht der Sonne und funkeln wie kleine Kristalle. Ich könnte sie den ganzen Tag ansehen und mich restlos in ihnen verlieren. Langsam beruhige ich mich und auch Dereck hört auf zu lachen. Jetzt lächelt er sein honigsüßes Grüpchen-Grinsen, was mir Gänsehaut auf die Arme bringt.
Seine Finger streichen mir eine meiner braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Seine Lippen berühren erst zaghaft meinen Hals und meine Wangen. Bei meinen Lippen angelangt werden die Küsse voller Drang und Liebe. Seine Hände wandern unter mein Shirt und meine Haut fängt überall da an zu kribbeln, wo seine Finger sie berühren.
>>Oh Gott. Leute sucht euch ein Zimmer!<< Keeden sieht uns kopfschüttelnd an. >>Hier laufen auch Kinder rum.<<
Dereck nimmt seine Hände von meiner Hüfte und streicht grinsend mein Shirt glatt.
>>Du bist ja bloß frustriert, weil wir hier unseren Spaß haben und du schon seit Ewigkeiten kein Mädchen mehr geküsst hast.<<, sagt er ein wenig provokant.
Keeden wird rot und schüttelt den Kopf. >>So lange ist das noch gar nicht her. Vor ein paar Tagen sogar erst.<<, sagt er zufrieden.
>>Echt?<<, frage ich ungläubig, >>Wer hat sich denn auf dich eingelassen?<<
>>Das wüsstest du wohl gerne.<<, sagt er und streckt und sie Zunge raus.
>>Ja, das wüsste ich wirklich gerne.<<, antworte ich lachend und stütze mich auf meine Arme. Dereck setzt sich ebenfalls neugierig auf.
>>Also Rumer hat mich geküsst.<< Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Geschockt sehe ich Dereck an, der mir mit dem gleichen Gesichtsausdruck entgegenblickt.
>>Ich glaube ihr solltet mal wieder von Kumpel zu Kumpel reden, meinst du nicht?<<, flüstere ich Dereck zu. Er nickt und gibt mir einen flüchtigen Kuss. Nichts im Vergleich zu den Küssen, die wir vorhin hatten. Er steht auf und geht zu Keeden.
Ich sehe ihm noch kurz nach. Meine Gedanken kehren zu Rumer und Navin zurück. Ich kann nicht noch länger warten. Sonst wird der Abstand zwischen uns immer größer und die Gefahr, dass wir sie nicht wiederfinden steigt mit jedem Schritt, den sie gehen.
Von Eile angetrieben springe ich auf und laufe zu meinem Zelt. Schnell öffne ich den Reißverschluss und lasse mich vor meiner Tasche auf die Knie fallen. Ich schnappe mir all meine Sachen und sortiere sie ordentlich in die Tasche. Die Tatsache, dass ich selbst wenn ich es eilig habe, noch ordentlich bin, bringt mich zum schmunzeln. In Gedanken noch bei Rumer merke ich gar nicht, dass Dereck sich an mich heranschleicht. Er knufft mir in die Seiten und ich quieke erschrocken.
>>Was machst du denn da?<<, fragt er neugierig.
>>Wir brechen auf. Ich bin wieder startklar und kann nicht länger warten. Entweder kommen du und Keeden mit mir mit, oder ich gehe eben alleine.<<, antworte ich in dem Wissen, dass er mich nie alleine losziehen lassen würde.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Rumer (37.)

Ich wache, in meinen Schlafsack gehüllt, auf. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das dämmrige Licht und ich drehe den Kopf zur Seite. Navin liegt schlafend neben mir, seine Brust hebt und senkt sich in gleichmäßigen Abständen. Er sieht so friedlich aus, wenn er schläft, dass ich ihn nicht wecken will. Also stehe ich leise auf und krabbel aus dem Zelt. Weil Livvy unser Zelt noch braucht, haben Navin und ich nur eins mit dabei, was bis jetzt ganz gut funktioniert. Und wenn er meint, wieder dumme Sprüche klopfen zu müssen, dann ist er es, der draußen im Freien schläft, darauf kann er sich verlassen.
Das Feuer gestern Abend, haben wir angelassen, weil wir uns wieder einer Strahlungszone nähren und die mutierten Tiere nur vor Feuer Angst haben. Mittlerweile ist das Feuer zwar schon längst aus, aber wir wurden ja auch nicht angegriffen, also hat der Plan geklappt.
Gähnend strecke ich mich und überprüfe danach die Gegend in einem Umkreis von hundert Metern. Keine Angreifer. Keine Beute. Bis auf ein paar kleine Vögel in den Bäumen, die langsam anfangen zu singen, sind Navin und ich hier allein.
Seit einer Wochen, also seit unserem Aufbruch von den Ausgestoßenen, hat kein Mensch unseren Weg gekreuzt. Es erinnert mich daran, als ich mit Livvy vor dem Cazanara-Stamm geflohen bin. Dem einzigen Ort, wo ich ein richtiges Zuhause hatte.
Seit dem habe ich mich schon oft gefragt, wie es wohl wäre, wenn ich sie nicht wiedergesehen hätte. Wäre ich bis an mein Lebensende bei meinem Stamm geblieben und hätte mit Navin gejagt? Hätte ich Keeden und Dereck jemals wieder getroffen? Hätte Navin mich jemals geküsst? Hätte ich jemals angefangen in ihm mehr als meinen nervigen Jagdpartner zu sehen? Wäre das Loch in meiner Brust, dass meine Freunde damals nach der Flucht, als wir getrennt wurden, dort hinterlassen haben, jemals wieder geheilt? Hätte ich je aufgehört nach ihnen zu suchen?
Für die meisten Fragen habe ich keine Antworten, aber eins ist klar: Liv, Keeden und Dereck hätten mir immer gefehlt. So wie jetzt auch wieder. Sie sind meine Familie. Und ich hätte niemals aufgehört nach ihnen zu suchen.
Dieses Mal ist es leichter von ihnen getrennt zu sein, weil ich weiß, dass sie alle noch leben und dass sie nachkommen werden. In den letzten Tagen habe ich alle hundert Meter mit meinem grünen Fallenband einen Baum markiert, damit sie wissen, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
Nach dem ich meine Runde zu Ende gedreht habe, gehe ich zurück zum Lager, wo Navin schon dabei ist, dass Zelt abzubauen.
>>Guten Morgen.<<, sage ich, als ich näher komme.
Er blickt auf und grinst, was bei mir für ein Kribbeln in der Magengegend sorgt. >>Na. Gut geschlafen?<<
Ich nicke, verwirrt über meine Reaktion. Das geht schon länger so. Irgendwas hat sich zwischen Navin und mir verändert. Aber ich wage nicht zu sagen, was es ist. Ich knie mich hin und helfe ihm dabei die Plane einzurollen, was ungefähr so zu verstehen ist, dass er die einen beiden Enden festhält und ich die Plane einrolle. Als ich bei ihm ankomme, merke ich, dass er mich ansieht und erröte.
Was verdammt nochmal ist nur los mit mir?
Ruckartig stehe ich auf und mache mich daran die anderen Sachen, wie zum Beispiel mein Fallenband, wieder in meine Tasche zu packen. Navin steckt das Zelt in seinen Rucksack und beobachtet mich grinsend.
>>Hast du nichts besseres zu tun?<<, fauche ich ihn an und hänge mir meine Tasche um.
>>Nein, ich kann mir nichts besseres vorstellen, als dir dabei zu zugucken, wie du dich zum Affen machst.<< Sein Grinsen wird noch breiter.
>>Jetzt reicht's!<< Wütend gehe ich auf ihn zu und versuche ihn zu schlagen, aber er hat es kommen sehen und hält mein Handgelenk fest. Ich hole mit der anderen Hand aus, aber er ist wieder schneller. Halten wir fest: Er hat meine beiden Handgelenke umklammert und ich stehe nutzlos vor ihm rum. Verdammte Pattsituation.
Ich könnte ihm zwar in die Eier treten, aber ich habe Angst, dass er mir dann nicht mehr helfen würde. Und ich will nicht, dass er geht.
Also stehen wir einfach voreinander und sehen uns an.
Seine Augen sind grau, wie die aller anderen Menschen, die keine Angens sind, aber ich würde sie überall wieder erkennen. Diese Augen sind mir so vertraut, wie meine eigenen. Und trotzdem ist er für mich ein Rätsel. Seit ich ihn kenne, habe ich nie gelernt seine Handlungen oder Reaktionen außerhalb der Jagd vorauszusehen, so wie er es bei mir kann. Wie zum Beispiel seine nächste Frage, die mich vollkommen unvorbereitet trifft. >>Darf ich dich küssen, Rumer?<<
Mein Magen beginnt zu kribbeln und meine Hände werden ganz schwitzig. Bevor ich mich daran hindern kann, nicke ich.
Und dann legen sich seine Lippen auf meine und meine Knie geben nach, aber er schlingt seine Arme um mich und stützt mich, hält mich fest. Noch nie habe ich mich so sicher gefühlt.
Seine Lippen sind warm und weich und nach einem kurzen Zögern erwidere ich seinen Kuss. Ich lasse meine Hände, die nun wieder frei sind an seiner muskulösen Brust hochwandern und lege sie dann in seinen Nacken, um ihn noch näher an mich heran zu ziehen. Er stöhnt leise auf und lässt eine Hand in mein Haar gleiten.
Ich weiß nicht, wie lange wir uns so küssen, aber als er sich zurück zieht, kommt es mir viel zu kurz vor.
Navin ist außer Atem und auch ich habe Probleme Luft zu bekommen. Er legt seine Stirn an meine, wobei er sich wieder, wie eben beim Küssen, zu mir runter beugen muss und ein Lächeln umspielt seine Lippen.
Mein Magen spielt immer noch verrückt und ich versuche, dass, was da gerade geschehen ist zu verarbeiten. Er hat mich geküsst. Und ich habe ihn zurück geküsst. Und es hat mir gefallen.
>>Rumer?<<, flüstert er leise und ich sehe ihn nur fragend an, weil ich gerade nicht in der Lage bin irgendwas zu sagen. Er grinst, weil er genau weiß, was er bei mir ausgelöst hat und flüstert ganz leise: >>Ich liebe dich.<<

Fröhlichen 1. Mai, oder wie man das sagt :D

Heute geht es endlich weiter :)
Wir hoffen ihr freut euch schon genauso, wie wir :)
Um 14.30 Uhr kommt das nächste Kapitel. :)

Liebe Grüße,
Euer Angens-Team