Samstag, 27. Juli 2013

Rumer (47.)

Als ich erwache dauert es einen Moment, bis mir wieder einfällt, was gestern geschehen ist. Ich spüre Navins Arm um meiner Taille und sehe ihn an. Er schläft noch. Sein Atem geht langsam und regelmäßig. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, ohne, dass ich es kontrollieren kann und ich schmiege mich an ihn. Durch die Tatsache, dass ich nackt bin und er auch, fühle ich mich einen Moment unbehaglich, aber dann schiebe ich dieses Gefühl beiseite. Das ist doch totaler Unsinn. Wieso soll ich mich merkwürdig fühlen, wo wir doch letzte Nacht... Ich atme tief durch und schließe wieder die Augen. Die Erinnerung an letzte Nacht laufen vor meinem inneren Auge ab. Navins Küsse. Wie er mich überrascht angesehen hat, als ich mein Oberteil ausgezogen habe. Seine Hände, auf meiner Haut. Ein wohliges Kribbeln läuft durch meinen Körper.
Bist du dir sicher? hat er mich gefragt. Und ich habe dies bejaht, denn ich war mir sicher. Nie in meinem Leben hatte ich etwas so sehr gewollt, wie das. Ich habe ihm meine Jungfräulichkeit geopfert.
Ich spüre, wie er sich bewegt und öffne die Augen wieder. Er streckt sich und sieht mich dann an, ein sanfter Zug umspielt seine grauen Augen. >>Dann war das wohl doch kein Traum.<<, bemerkt er und grinst verschlagen.
Mein Herz macht einen Satz und ich weiß nicht, wie ich antworten soll, aber das ist auch gar nicht nötig, denn er beugt sich zu mir rüber und küsst mich. Seine Lippen sind warm und weich. Der Kuss sanft und federleicht, eigentlich nur ein Hauch, dann löst er sich schon wieder von mir und sein Blick erforscht mein Gesicht.
Er denkt ich hätte es mir vielleicht anders überlegt und wartet auf eine Reaktion von mir.
Ich lächle und es ist deutlich zu erkennne, wie er sich entspannt.
>>Guten Morgen.<<, murmele ich und mein Herz hämmert so wild, dass ich befürchte es könnte zerspringen.
Navin grinst wieder. >>Guten Morgen, meine Liebe.<< Die Worte meine Liebe haben nun eine völlig neue Bedeutung für mich. Er mustert mich nachdenklich. >>Alles okay?<<
>>Ja, alles klar. Ich bin wohl nur etwas nervös.<<, gestehe ich und seufze. Mein Magen kribbelt. So habe ich mich noch nie gefühlt. So leicht, aber doch fest im Boden verankert, so verletzlich, aber auf eine gute Art und Weise. Ich bin nicht hilflos. Ich bin glücklich.
>>Nervös? Jetzt?<<, schnaubt Navin und lacht leise. >>Wäre das gestern nicht etwas angebrachter gewesen?<<
>>Na ja, jetzt kann ich meine Entscheidung nicht mehr rückgängig machen.<< Ich sehe ihn an und mir wird klar, wie das klingen muss. >>Nicht das ich das will.<<, füge ich schnell hinzu. >>Aber das macht mich halt etwas nervös.<<
Navins Augen werden ganz groß. >>Moment mal... heißt das etwa...<< Er macht eine Pause und schluckt. >>Das gestern war dein erstes Mal?<<
Ich weiß, dass er schon mit anderen Mädchen geschlafen hat. Ich habe gehört, wie die Mädchen im Dorf immer von ihm erzählt haben und wie ihre Mütter und Väter sich über Navin aufgeregt haben, weil er nie lange bei einer geblieben ist.
Wie er hingegen auf die Idee kommt, ich hätte schon mit anderen Kerlen geschlafen, ist mir schleierhaft.
>>Ja, das war mein erstes Mal. An wen bitte hätte ich meine Jungfräulichkeit denn verlieren sollen, wenn ich fragen darf?<< Ich hebe eine Augenbraue und sehe ihn skeptisch an.
Auch ihm scheint das langsam klar zu werden. >>Rumer, das hättest du mir sagen müssen.<<, sagt er bestürzt und setzt sich auf.
>>Wieso? Was hätte das geändert?<<, frage ich und setze mich ebenfalls hin.
Er fährt sich mit der Hand durch seine blonden Haare, die ihm wirr vom Kopf abstehen und ich muss daran denken, wie ich gestern mit meinen Händen dieses Chaos angerichtet habe und muss grinsen.
>>Dein erstes Mal hätte was besonderes sein sollen.<<, meint Navin und sieht mich aus seinen grauen Augen verzweifelt an.
Ich lehne mich zu ihm rüber und küsse ihn so sanft, wie er mich eben geküsst hat. Dann sehe ich ihm in die Augen und flüstere: >>Es war etwas besonderes.<<
Er umfasst mein Gesicht mit seinen Händen und schüttelt leicht den Kopf. >>Ich habe es nicht verdient, dass du mir das geschenkt hast.<<
>>Doch, das hast du. Und es gibt niemandem dem ich es lieber geschenkt hätte.<<, sage ich sanft und ziehe ihn an mich und wir küssen uns eine Weile, bis er sich atemlos von mir löst.
>>Wir sollten... vielleicht zu den anderen gehen. Sonst fragen sie sich noch, wo wir so lange bleiben... und kommen nachsehen.<<, meint er sichtlich bemüht zu Atem zu kommen. Ich ziehe einen Schmollmund, woraufhin er grinst. >>Komm schon. Keeden sollte es nicht auf diese Art erfahren.<<
Oh mein Gott, Keeden! Den hatte ich ganz vergessen. Meine Gefühle haben mich gestern so überwältigt, dass ich gar nicht gespürt habe, wie er sich gefühlt hat, ob er schon geschlafen hat, oder ob er... es mitbekommen hat. >>Du hast recht.<<, sage ich schließlich und suche meine Sachen zusammen, die ich dann in meine Tasche stopfe, nachdem ich mir frische Klamotten rausgesucht habe.
Es stellt sich als ziemlich kompliziert heraus, sich zu zweit in einem so kleinen Zelt anzuziehen, aber wir bekommen es hin. Als wir fertig sind und ich gerade den Reißverschluss aufziehen will, um nach draußen zu gehen, hält Navin mich am Handgelenk fest. >>Warte.<<
Ich sehe ihn fragend an. >>Was ist denn?<<
Statt einer Antwort zieht er mich an sich und küsst mich. Nur ganz kurz, aber mein Magen macht trotzdem Saltos.
>>Da ich mal davon ausgehe, dass wir das mit uns geheimhalten, bis Keeden davon weiß, wollte ich meine letzte Gelegenheit vor heute Abend noch einmal nutzen.<<, sagt Navin und hebt einen Mundwinkel, zu einem schiefen Lächeln, das total sexy aussieht.
Ich ohrfeige mich innerlich. Reiß dich mal zusammen! Du klingst schon wie eine verliebte Städterin! Du musst dich konzentrieren und ruhig bleiben!
Aber es fällt mir unglaublich schwer mich auf irgendwas anderes außer Navin zu konzentrieren, vor allem wenn er mir so nahe ist, also öffne ich den Reißverschluss und gehe hinaus ins Freie. Die kühle Morgenluft schlägt mir entgegen und weht durch mein offenes Haar, dass mir noch ganz verwuschelt über die Schultern fällt.
Als ich den Blick hebe, bemerke ich Keeden, der ganz in der Nähe steht, die Arme vor der Brust verschränkt und mich mit einem finsteren Blick durchbohrt.
Meine Eingeweide erstarren zu Eis und mein Herz bleibt kurz stehen.
Er weiß bescheid!

Dienstag, 16. Juli 2013

Navin (46.)

Als ich wieder beim Lager ankomme, ist Rumer gerade dabei ein Zelt aufzubauen.
Ihre kleine braunhaarige Freundin ist bei dem Verletzten und murmelt leise vor sich hin. Wahrscheinlich steht sie unter Schock, denke ich und mustere sie genauer. Das Mädchen, Livvy, ist eindeutig keine Jägerin. Dafür allerdings eine sehr gute Heilerin. So wie es aussieht, kommt der Junge durch. Aber ich weiß ja, wie gut ihre Fähigkeiten sind.
Gedankenverloren sehe ich auf meine Hand, in deren Mitte eine kleine Narbe prangt und streiche vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. Vor meinem inneren Auge laufen wieder die Bilder von dem Tag ab, an dem Rumer mir einen Pfeil durch die Handfläche geschossen hat, weil ich ihre Freundin angreifen wollte. Wenn ich damals schon gewusst hätte, dass Rumer ein Angen ist und was sie für eine Hintergrundgeschichte hat... aber sie hat ja nie darüber gesprochen. Ich hätte ihr vielleicht helfen können.
Mein Blick schweift, wie automatisch, zu ihr. Sie kämpft gerade damit die Heringen im Boden zu befestigen und flucht vor sich hin. Ich gehe zu ihr rüber und knie mich neben sie. 
>>Lass mich das machen.<<, sage ich und nehme ihr die Heringe aus der Hand. Sie rückt ein Stück zur Seite und ich bemerke aus dem Augenwinkel, dass sie mich ansieht. Ich widerstehe dem Drang ihren Blick aufzufangen und mache mich daran die Heringe in den Boden zu drücken. Im Handumdrehen bin ich fertig.
>>Danke. Und es tut mir leid.<<, murmelt Ru und nun sehe ich doch zu ihr rüber. Ihre graublauen Augen sind mit Tränen gefüllt.
>>Schlechter Zeitpunkt um anzufangen zu heulen. Deine kleine Freundin muss sich um den Verletzten kümmern und Keeden ist noch irgendwo im Wald. Und du erwartest ja wohl nicht, dass ich dich tröste, oder?<<, sage ich härter als eigentlich gewollt und stehe auf.
>>Navin.<<, stammelt Ru, doch ich wende mich bereits ab und gehe.
Am Abend liege auf dem Rücken in meinem Zelt und starre an die Decke. Angestrengt versuche ich nicht über die Einteilung der anderen beiden Zelte nachzudenken. Livvy wird wahrscheinlich bei ihrem Freund im Zelt schlafen wollen, einerseits, weil sie ihn liebt und andererseits, weil sie von uns die einzige ist, die weiß, wie er behandelt werden muss. Das heißt Keeden und Rumer...
Und ich denke doch über die Zelteinteilung nach. So ein Mist! Wütend presse ich die Kiefer zusammen und stoße dann hörbar Luft aus. 
Warum macht mir das nur so viel aus? Ich hatte doch sonst nie ein Problem damit, wenn ein Mädchen mit dem ich mal was hatte, bei einem anderen Kerl geschlafen hat. Andererseits hatte ich für diese Mädchen auch nie irgendwelche Gefühle. Rumer war oder besser gesagt ist die einzige für die ich je so empfunden habe. Die anderen Mädchen waren eigentlich immer nur eine Ablenkung, weil ich mir nie vorstellen konnte, dass Ru meine Gefühle jemals erwidern würde. Sie hat mich schon immer für einen arroganten Kotzbrocken gehalten. Seit sie damals bei uns im Stamm angekommen ist. Für mich hingegen war sie das Schönste, was ich je gesehen habe. Dieses kleine zierliche, zwölfjährige Mädchen mit dem wirren blonden Haar und den großen Augen. Und als sie dann auch noch darauf bestanden hatte, jagen gehen zu dürfen, anstatt, wie die anderen Frauen, sammeln zu gehen, war es um mich geschehen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich Lisandro angebettelt habe, Rumer ausbilden zu dürfen. Dafür musste ich einen Monat lang nachts noch jagen gehen, um mehr Beute anzuschaffen, aber das war es mir wert. Und als ich unseren Stammesfüherer dann auch noch überreden konnte mich zu Rumers Jadgpartner zu machen...
Seufzend schiebe ich die Erinnerungen bei Seite und starre wieder wie gebannt an die Decke. Ich darf nicht daran denken. Das macht es nur schlimmer, sage ich mir immer wieder und presse die Lippen zusammen.
Plötzlich höre ich das leise Ratschen des Reißverschlusses und taste aus Reflex nach meinem Bogen, ehe ich die Gestallt erkenne, die in der Öffnung meines Zeltes auftaucht.
>>Rumer?<<, frage ich verwirrt und sehe sie ungläubig an. >>Was machst du denn hier?<<
Sie wirkt unsicher und knabbert an ihrer Unterlippe herum. >>Ich wollte eigentlich fragen, ob ich noch hier schlafen darf, aber ich kann auch gehen...<<
>>Hier schlafen?<<, unterbreche ich sie und bin nun noch verwirrter.
>>Ja.. Das war eine blöde Idee. Tut mir leid.<<, haspelt sie und will wieder gehen, doch ich halte sie am Handgelenk fest.
>>Nein. Ist schon okay.<<, sage ich sanft und werde weich. Ich habe Rumer noch nie so unsicher und... verletzlich erlebt, wie jetzt.
Zögerlich kommt sie ins Zelt und schließt den Reißverschluss wieder hinter sich. Dann sieht sie mich unsicher an, als wüsste sie nicht, was sie jetzt machen soll.
>>Wieso bist du nicht bei Keeden?<<, frage ich schließlich in die Stille hinein, denn das ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt. Vielleicht will er sie ja nicht bei sich haben.
>>Weil ich hier bei dir sein möchte.<<, antwortet sie nach einer kurzen Pause und ihre Augen funkeln, als sie mich ansieht.
In mir breitet sich eine wohlige Wärme aus und jegliche Wut, die ich auf sie hatte, löst sich in Luft aus.
>>Komm her.<<, flüstere ich und ziehe sie in meine Arme. Rumer schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Ich atme ihren Duft ein und schließe dann die Augen. Mein Körper ist nun völlig entspannt und ich merke, wie der Schlaf dabei ist mich langsam in seine Tiefen zu ziehen.
>>Navin?<<, fragt Ru nach einer Weile flüsternd, als ich schon fast eingeschlafen bin.
>>Ja?<< Ich gähne und reibe mir die Augen.
>>Ich weiß jetzt die Antwort auf deine Frage.<< Ihre Hand zupft unsicher an meinem T-Shirt rum und ich spüre, wie sie tief einatmet. 
>>Welche Frage?<<, frage ich verschlafen und versuche die Augen zu öffnen, um sie anzusehen.
Ihr Atem zittert ein wenig. >>Auf deine Frage, ob ich für dich auch Rücksicht genommen hätte, wenn ich mich in Keeden verliebt hätte.<<
>>Und?<<
>>Ja, hätte ich.<<, meint sie entschlossen und ihre Stimme klingt wieder so fest, wie ich Rumer kenne.
>>Schön zu wissen.<<, murmele ich und küsse sie auf den Scheitel.
>>Aber... eines wäre anders gewesen bei Keeden...<<, fügt sie zögerlich hinzu und als sie nicht weiter spricht, sehe ich sie an. Ihr Blick begegnet meinem und mein Herzschlag beschleunigt sich unwillkürlich. >>Bei Keeden...<<, fährt sie fort. >>Hätte ich das mit dem Rücksicht nehmen länger durchgehalten.<< Und mit diesen Worten rutscht sie ein Stück näher zu mir heran und drückt ihre Lippen auf meine.
Einen Augenblick bin ich vollkommen überrumpelt, doch dann schlinge ich meine Arme um ihre Taille und ziehe sie noch näher an mich heran. Sie stöhnt leise auf und umfasst mit ihren Händen mein Gesicht. Dann wechselt der Kuss von vorsichtig und sanft zu drängend und leidenschaftlich. Meine Hände wandern zum Saum ihres Oberteils und ich zerre daran. 
Ru's Lippen lösen sich von meinen. Sie setzt sich auf und sieht mich atemlos an.
Ich bin zu weit gegangen. >>Tut mir... leid.<<, keuche ich ebenso außer Atem wie sie und sehe sie entschuldigend an. Einen Augenblick erwidert sie meinen Blick nachdenklich, dann breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie zieht sich ihr Top über den Kopf und schleudert es beiseite. Darunter trägt sie nur einen schwarzen BH. Erstaunt weiten sich meine Augen. 
>>Rumer...<<, flüstere ich atemlos und setze mich ebenfalls hin. >>Du musst das nicht tun.<<
>>Ich weiß.<<, antwortet sie lächelnd, schwingt ein Bein über meine und setzt sich dann auf meine Oberschenkel. Ihr Gesicht ist ganz nahm an meinem und ich halte den Atem an. >>Aber ich will das.<<
Einen Moment mustere ich sie eingehend. Lasse meinen Blick über ihr Gesicht gleiten. Ihre wundervollen Augen, die geröteten Wangen, ihre Lippen. Ihr Haar, dass ihr Gesicht, wie ein Vorhang aus flüssigem Gold umgibt. Und dann gleitet mein Blick tiefer und ich nehme jeden Zentimeter ihres Körpers in mir auf, bis mein Blick schließlich wieder bei ihren Augen endet. 
>>Bist du dir sicher?<<, frage ich unsicher und bemerke, dass meine Stimme bebt.
>>Ja.<<, antwortet sie und legt ihre Arme um meinen Hals. Einen Augenblick sehen wir uns noch in die Augen, bevor ich mich vorbeuge und sie küsse. Erst zögerlich, damit sie es sich noch anders überlegen kann, doch dann zieht sie mich näher an sich und meine Selbstbeherrschung löst sich in Rauch auf. Ich grabe mein Hände in ihre Haare und küsse sie jetzt intensiver. Ihre Hände wandern an meinen Seiten herunter und dann zieht sie mir mein T-Shirt über den Kopf und wirft es, wie vorhin ihr Oberteil, beiseite. Unsere Lippen finden sich wieder und ich lehne mich langsam nach hinten, bis ich wieder auf dem Boden liege, Rumer über mir. Dann rolle ich mich herum, bis ich über ihr bin und löse mich kurz von ihren Lippen, um ihren Anblick in mir aufzunehmen. Ihre Wangen glühen und ein aufgeregtes Funkeln ist in ihren Augen zu erkennen. Sanft streiche ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüstere: >>Ich liebe dich, Rumer.<<
>>Ich dich auch.<<, antwortet sie an meinen Lippen und zieht mich wieder zu sich.
Ich kann ihren rasenden Herzschlag an meiner Brust spüren und stelle fest, dass ihres genauso heftig schlägt, wie meins. Und dann ist da nur noch sie. Ihr Herzschlag. Ihre Lippen, auf meinen. Ihre weiche, warme Haut unter meinen rauen Händen. Ihr Geruch, der mich umgibt.
Und ihre Stimme, die meinen Namen flüstert, als wir schließlich miteinander schlafen.

Freitag, 12. Juli 2013

Keeden (45.)

Navin hatte mir bedeutet ihm zu folgen, während Rumer und Livvy sich um Dereck gekümmert haben. Da ich auch noch etwas mit ihm zu besprechen habe, bin ich ihm nachgelaufen, als er ins Gebüsch verschwunden ist.
Jetzt stehen wir im Wald, außer Hörweite der Mädchen und Navin hat sich mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt und mustert mich finster. Dieser Mistkerl! Dabei habe ich ja wohl viel mehr Grund ihn böse anzugucken!
>>Was ist?<<, frage ich durch zusammengepresste Zähne und sehe ihn feindselig an.
>>Was sollte die Scheiße? Wieso hast du die Rauchbombe erst so spät eingesetzt? Ihr hättet alle draufgehen können.<< Navin bleibt ganz ruhig während er das sagt und das reizt mich noch mehr, als wenn er mich angeschrien hätte.
>>Weil ich nur diese eine hatte und sie für den äußersten Notfall aufheben wollte!<<, knurre ich und verfluche mich insgeheim, dass ich nicht so ruhig und gelassen bleiben kann, wie er.
Navin sieht mich herablassend an und meint verächtlich: >>Wie sieht denn deiner Meinung nach ein äußerster Notfall aus? Ich meine dein Freund ist fast drauf gegangen, oder ist gerade dabei.<<
Mein Magen krampft sich zusammen, als ich an Dereck denke. Er ist einfach umgekippt und hat sich danach nicht mehr gerührt. Was wenn er... Nein! Entschlossen schiebe ich den Gedanken beiseite. Er wird das schaffen! Liv bekommt das schon wieder hin. Ich muss positiv denken, denn wenn ich auch nur für eine Sekunde daran denke, dass Dereck, der für mich wie ein Bruder ist, sterben könnte... Das darf einfach nicht passieren!
Meine Angst vermischt sich nun mit meiner Wut und bringt mich dazu zu schreien: >>Ich dachte wir kriegen das vielleicht auch so hin! Und dann wäre die Bombe verschwendet gewesen! Sowas nennt sich strategisches Denken! Noch nie gehört?<<
>>Oh doch. Aber du scheinst nicht besonders gut in Mathe zu sein. Mir war schon innerhalb weniger Sekunden klar, dass die Pfeile niemals für die ganzen Kängururatten gereicht hätten.<<, meint er seelenruhig und sieht nach oben, als wäre ich gar nicht da.
>>Wenn es dir so klar war, wieso bist du dann nicht einfach weggelaufen, sondern hast uns geholfen?<<, frage ich gereizt und sehe ihn herausfordernd an. Navin sieht mir nun direkt in die Augen und an dem Ausdruck, der sich darin wiederspiegelt, kann ich seine Antwort erkennen. >>Natürlich.<<, sage ich matt. >>Wegen ihr.<<
>>Na wegen dir ganz bestimmt nicht.<<, spottet er.
Wütend beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange, bis ich Blut schmecke. >>Du bist echt das Letzte.<< Ich spucke ihm die Worte förmlich entgegen.
>>Ja, ich weiß. Und ich bin ein Arsch, ein Penner, ein Idiot. Das hat Rumer mir schon alles hundertmal gesagt in den letzten Jahren.<<, meint Navin abwinkend und sieht mich vollkommen desinteressiert an.
>>Lass gefälligst die Finger von ihr!<<, knurre ich und gehe einen Schritt auf ihn zu.
>>Wieso sollte ich? Nur damit du sie haben kannst? Es ist doch wohl ihre Entscheidung wen sie will.<<, sagt er gelassen und mit neutralem Blick. >>Und ich werde ihr diese Entscheidung nicht nehmen, sondern sie akzeptieren.<<
>>Das sagst du jetzt nur, weil du dir sicher bist, dass du es sein wirst, den sie wählt.<<, fauche ich und rümpfe die Nase.
Navin seufzt und massiert sich den Nasenrücken. >>Ehrlich gesagt, glaube ich, dass sie niemals mit mir zusammen sein könnte, ohne sich schlecht zu fühlen.<<
>>Wieso?<<, frage ich verwirrt.
>>Wegen dir.<<, sagt er nüchtern und ich sehe für einen Moment tiefes Bedauern in seinem Blick, doch schon im nächsten hat er seine Gefühle wieder im Griff und setzt eine undurchdringliche Maske auf.
Mir wäre fast vor Erstaunen der Mund aufgeklappt, aber ich reiß mich zusammen. Wegen mir.
>>Aber freu dich nicht zu früh. Ich werde nicht so leicht aufgeben.<<, fügt Navin dann noch mit einem dreisten Grinsen hinzu.
>>Meintest du nicht du akzeptierst ihre Entscheidung?<<, frage ich verächtlich und verschränke nun ebenfalls die Arme vor der Brust.
Navins Grinsen bekommt nun etwas wölfisches. >>Noch hat sie keine Entscheidung getroffen. Aber ich werde bis zum Schluss um sie kämpfen.<<
>>Und warum denkst du, dass du besser für sie bist?<< Ich balle die Hände zu Fäusten und wappne mich dafür ihm die ganzen Gründe aufzuzählen, weshalb er sich irrt. Weshalb ich besser bin!
>>Ich denke nicht, dass ich besser für Rumer bin. Ich denke lediglich, dass ich richtig für sie bin.<<, antwortet Navin, stößt sich von dem Baum ab, an den er gelehnt hat und geht an mir vorbei zurück in Richtung der anderen.
Und lässt mich völlig verblüfft zurück.

Samstag, 6. Juli 2013

Livvy (44.)

Er sackt neben mir zu Boden. Blut fließt aus der Wunde. Ich schreie.
Wie gelähmt sitze ich zusammengekauert auf dem Waldboden. Der Schock des Angriffes sitzt mir tief in den Knochen. Er liegt da, krümmt sich vor Schmerz und ich kann mich nicht bewegen.
Ich könnte ihm helfen. Ich könnte..
Ein lauter Knall lässt mich aus der Starre aufschrecken. Ich blicke auf. Rauch steigt nicht weit von Navin entfernt auf, und breitet sich aus. Woher kommt der Rauch?
Bevor ich fragen kann, kommt Navin mir zuvor.
>>Woher hast du die Rauchbombe?<<, fragt er, während er einer Kängururatte zwischen den Augen einen Pfeil platziert.
>>Die hat Chazz mit glücklicherweise gegeben.<<, antwortet ihm Keeden.
Überall fliegen Pfeile durch die Gegend, jedoch scheint die Rauchbombe die Kängururatten zu vertreiben. Immer weniger Pfeile rauschen über mir umher und ich sehe die kleinen Mutanten ins Dickicht flüchten.
Mein Blick heftet sich wieder auf Derecks Gesicht. Er ist ganz bleich geworden. >>Dereck?<<, flüstere ich heiser. >>Dereck, hörst du mich?<< Seine Lider sind geschlossen und er reagiert nicht. Hektisch fühle ich an seiner Hauptschlagader nach seinem Puls. Er ist da. Jedoch sehr schwach. >>Ich brauche meinen Medizinbeutel!<<, rufe ich verzweifelt und sehe mich hilfesuchend um. Sofort eilt Rumer an meine Seite und reicht mir meinen Beutel. Ich bin so froh sie lebend zu sehen, aber im Moment kann ich mich nur auf Dereck und seine Verletzung konzentrieren. Ich öffne den Beutel und hole ein kleines Fläschchen mit Wasser hervor und lasse die Flüssigkeit über die Wunde in seinem Bein laufen. Immer noch keine Reaktion. Schnell zupfe ich ein paar Blätter Kandaru-Kraut aus meinem Beutel, wobei ein paar andere meiner Kräuter herausfallen, aber das ist mir egal. Jetzt zählt nur Dereck. Ein einengender Druck legt sich auf meine Brust und ich bekomme kaum noch Luft, als ich die Blätter auf die Wunder presse. Dann hole ich noch schnell zwei Blätter Ohmnu-Kraut hervor und lege sie Dereck in den Mund.
>>Was ist das?<<, fragt Ru und tauscht die Blätter auf der Beinwunde aus, die schon jetzt vom Blut und Wundwasser getränkt sind.
>>Ohmnu-Kraut. Es wirkt Schmerz- und Fieberlindernd und bekämpft das Gift, dass sein Gehirn angreift.<<, erkläre ich und sehe, wie Rumer blass wird. Sie hat Angst ihn zu verlieren. Genau wie ich.
>>Kannst du seine Wunde ausspülen und dann die Salbe aus dem gelben Gefäß auftragen?<<, frage ich. während ich mich daran mache eine Kräutermischung zu erstellen, die gezielt das Gift in seinem Körper neutralisieren wird. Rumer wirkt zuerst etwas zögerlich, doch dann nimmt sie entschlossen einen Stofffetzen aus ihrer Tasche und tränkt ihn mit Wasser. Dann fängt sie behutsam an Derecks Bein zu reinigen, wobei ihre Hand zittert. Sie ist eindeutig keine Heilerin. Ich habe in meiner Ausbildung schon ganz früh gelernt in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Man darf sich von seiner Gefühlslage nicht kontrollieren lassen. Nicht einmal wenn... man den Verwundeten liebt.
Als ich die Mischung fertig habe, nehme eine der wenigen Spritzen aus meinem Beutel und ziehe den Saft, den ich aus den Blättern gepresst habe damit auf. Dann setze ich sie oberhalb der Beinwunde an und spritze sie ihm in eine Vene.
Und dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen, dass es noch nicht zu spät war. Rumer hat die Wunde gesäubert und sie Salbe aufgetragen, so wie ich es ihr gesagt habe. Dann legt sie noch auf meine Anweisung hin eine Schicht Kandaru-Kraut oben drauf und verbindet das Ganze.
Und dann sieht sie mich an und in ihrem Gesicht spiegelt sich die selbe Angst, die auch ich spüre und eine unausgesprochene Frage zeichnet sich in ihren Augen ab: Wird er überleben?
Kraftlos zucke ich mit den Schultern. Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand. Jetzt liegt es an ihm.
Ich betrachte sein Gesicht. Das Gesicht des Jungen, den ich liebe. Er wirkt so zerbrechlich und schwach, dass ich bei seinem Anblick unwillkürlich an meine kleine Schwester Willow denken muss. Ich bin froh, dass ich sie nicht mitgenommen habe und sie bei Chazz und den anderen in Sicherheit ist. Wenigstens eine Person, die ich liebe, um die ich mir keine Sorgen machen muss.
Plötzlich keucht Dereck und öffnet schwach die Augen. Ich beuge mich über ihn und sehe ihn an. >>Dereck?<<, frage ich mit piepsiger Stimme.
>>Liv?<<, krächzt er heiser. >>Was ist passiert?<<
>>Du wurdest von einer Kängururatte gebissen. Aber du wirst es überleben.<<, erwidere ich mit Tränen in den Augen und streiche ihm liebevoll die schweißnassen Haare aus der Stirn.
>>Cool.<<, flüstert er und seine Augen fallen ihm wieder zu.
>>Was ist mit ihm? Stirbt er jetzt?<<, fragt Rumer geschockt und beugt sich ebenfalls vor.
>>Nein.<<, beruhige ich sie. >>Er ist aufgewacht, dass heißt er hat die Medizin angenommen. Jetzt braucht er nur sehr viel Ruhe um zu heilen.<<
Wir seufzen genau gleichzeitig erleichtert auf und sehen uns dann an.
>>Ich bin froh, dass du wieder da bist, Ru.<<, sage ich und lächel schwach.
>>Ich bin auch froh.<<, erwidert sie und steht dann auf. >>Ich schlag mal ein Zelt auf, damit wir Dereck dort rein legen können.<< Dann dreht sie sich um und bleibt verwundert stehen. >>Wo sind Navin und Keeden?<<
Jetzt sehe auch ich mich um und stelle fest, dass weit und breit nichts von ihnen zu sehen ist. >>Komisch. Eben waren sie doch noch da.<<
>>Wahrscheinlich suchen sie nur die Umgebung ab, ob diese Biester auch wirklich alle weg sind.<<, meint Ru dann und macht sich daran ein Zelt aufzubauen.
Währenddessen wende ich mich wieder Dereck zu und streiche ihm sacht übers Gesicht. >>Du wirst leben.<<, flüstere ich und muss lächeln. >>Gott sei Dank.<<