Mittwoch, 8. Mai 2013

Rumer (39.)

Es ist jetzt zwei endlos lange Tage her, seit Navin mir gesagt hat, dass er mich liebt. Ich weiß noch, wie wir da gestanden und uns einfach angesehen habe, während ich versucht habe seine Worte zu verarbeiten. Mein Herz schlug wie verrückt und ich hatte Angst es würde mir jeden Augenblick aus der Brust springen.
Irgendwann hat er gelächelt, seine Tasche und das Zelt genommen und wir sind weiter gegangen. Seit dem war es eigentlich... normal zwischen uns. Also nicht Navin-der-Penner-macht-anzügliche-Bemerkungen-Normal, sondern Navin-ist-mein-Verbündeter-Normal, was eigentlich auch nicht wirklich normal ist, aber wohl immer noch besser, als die Alternative die ganze Zeit peinliches Schweigen zwischen sich zu haben.
Wir sind gerade auf der Jagd. Getrennt. Das war seine Idee. Navin meinte so haben wir größere Chancen auf Beute, da diese in der Nähe der Strahlungszonen durch die mutierten Tiere eher gering ausfällt.
Die Strahlungszonen sind die Gebiete, die von den Atomkriegen im Jahr 2034 noch nicht bereinigt werden konnten, da die Mutationen keine Reinigungsteams in die Nähe gelassen haben. Darum wurden sie so gelassen und die Nevuloge so weit entfernt wie möglich errichtet, um Angriffe durch die Mutanten zu meiden. Nur total lebensmüde Leute oder komplette Idioten gehen in die Nähe der Zonen. Oder natürlich Leute, die keine Angst haben, wie wir.
Ich schleiche durchs Gestrüpp und halte die Augen nach Beute offen. Bis jetzt habe ich nur zwei Rehkadaver gefunden, die wahrscheinlich von Känguru-Ratten gefressen wurden. Das sind biestige kleine Viecher, die aussehen wir Ratten, nur da sie ungefähr dreimal so groß sind. Und als wäre das noch nicht genug können sie auch noch bis zu drei Meter hoch springen. Einem Rudel davon möchte man nicht gerne begegnen.
Dann nehme ich eine Bewegung wahr und ziele mit meinem gespannten Boden in die Richtung. Ein Wildhuhn hüpft ahnungslos aus einem Gebüsch und pikt auf dem Boden rum. Ich visiere es an und innerhalb kürzester Zeit steckt mein Pfeil in seinem Herz. Es ist sofort tot. Ich gehe rüber, stecke den Pfeil zurück in meinen Köcher und binde das Huhn an meinem Gürtel fest, da meine Tasche voll ist.
Erst überlege ich noch weiter zu suchen, aber dann entscheide ich mich dagegen, da es eh keinen Sinn hat. Hier ist viel zu wenig Beute. Also kehre ich um und gehe zurück zu dem Ort, wo Navin und ich uns getrennt haben.
Der Weg dauert eine Weile und ich nutze die Zeit um über ein paar Dinge nachzudenken, wie so oft in den letzten Tagen. Nur denke ich dieses Mal nicht an meine Freunde, sondern ich denke über Navin nach. Als er mich geküsst hat und ich ihn, habe ich eindeutig etwas gespürt. Da ist etwas zwischen uns. Aber da ist auch noch Keeden. Er ist mein bester Freund und ich möchte ihn nicht verletzen.
Ein Knacken hinter mir lässt mich zusammenfahren und bevor ich mich umdrehen kann, spüre ich, dass ein spitzer Gegenstand in meinen Rücken drückt.
Dann kann ich fühlen, wie warmer Atem meinen Nacken streift und ich schaudere.
>>Das ist nicht witzig, Navin!<<, beschwere ich mich und drehe mich zu ihm um.
Er sieht enttäuscht aus und lässt seinen Bogen sinken. >>Woher wusstest du, dass ich es bin?<<
>>Intuition.<<, meine ich und strecke ihm die Zunge raus.
>>Ach ja? Vor zwei Tagen sah das mit deiner Intuition noch ganz anders aus.<< Er hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln und sieht mich provozierend an.
>>Du bist so ein Idiot!<<, zische ich und will gehen, doch er packt mich am Ellenbogen.
>>Warte! Wir sollten das jetzt endlich mal klären.<<
Ich beiße mir auf die Unterlippe und sehe ihn an. Er hat recht. Wir müssen das klären. >>Okay. Worüber willst du reden?<<
Er redet nicht lange um den heißen Brei herum und stellt direkt die elementarste Frage: >>Was hat der Kuss für dich bedeutet?<<
Zögerlich antworte ich: >>Ich... ich weiß es nicht.<<
Navin schnaubt und schüttelt den Kopf. >>Rumer, ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Ich habe die Karten offen auf den Tisch gelegt. Kannst du mir nicht wenigstens diese eine Frage beantworten? Richtig beantworten?<<
>>Ich bin verwirrt, okay? Ich weiß einfach nicht, was es für mich bedeutet hat.<< Hoffentlich bemerkt er die Lüge nicht.
>>Du kannst mich nicht anlügen, Kleines. Dafür kenne ich dich viel zu gut.<<, sagt er und hebt fragend eine Augenbraue. Mist! Er hat mich durchschaut. Hätt ich mir auch denken können!
>>Ja, okay. Hast ja recht. Es ist nur... Ich hab Gefühle für dich.<<, beginne ich und bekomme damit augenblicklich seine volle Aufmerksamkeit. >>Gefühle, die über reine Freundschaft hinausgehen. Aber ich habe Angst davor.<<
>>Du willst nicht verletzt werden.<<, stellt er nüchtern fest.
>>Ja. Nein. Es ist einfach... Ich möchte Keeden nicht verletzen.<<, platzt es aus mir heraus.
>>Ist das der Idiot, der dich immer so anschmachtet?<<, fragt Navin und grinst. Ich nicke. >>Oh mahn. Er ist doch aber nicht hier. Er muss es nicht erfahren.<<
>>Aber er und die anderen kommen nach.<<, erinnere ich ihn.
>>Na und? Wir können bis dahin unseren Spaß haben. Und danach...<< Er kommt einen Schritt näher, so dass er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt ist. >>Halten wir es geheim.<< Er küsste mich. Eigentlich streifen seine Lippen nur ganz leicht die meinen, aber diese Berührung reicht, um meinen Magen in Aufruhr zu versetzen. >>Was hältst du davon?<<
Mein Kopf sagt mir, dass ich das schlecht finden sollte, trotzdem sage ich: >>Klingt gut.<< Dann ist es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei und ich schlinge meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Dieses mal richtig.
Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war, aber es fühlt sich so verdammt gut an. Das kann doch nicht falsch sein. Oder?

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