Montag, 2. Dezember 2013

Livvy (50.)

Wir stapfen jetzt schon seit fünf Tagen weiter durch den Wald und die Stimmung ist... sagen wir angespannt. Rumer läuft immer voran und schweigt die meiste Zeit, während Navin dicht bei ihr läuft und sie volllabert, als wäre zwischen ihnen alles okay und als würde sie ihn nicht dauernd so angucken, als wolle sie ihn abschießen. Keeden läuft bei mir und Dereck, um Dereck zu stützen, da er zwar wieder einigermaßen fit ist, sich aber noch nicht zu sehr belasten darf. Ich bin unendlich froh, dass er es geschafft hat das Kängururattengift zu bekämpfen. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde.
Unwillkürlich drücke ich seine Hand, die in meiner liegt und er sieht mich fragend von der Seite an. >>Alles okay, Liv?<<
Ich sehe in seine graugrünen Augen, die Augen in die ich mich verliebt habe, und lächle. Er weiß, dass mich etwas bedrückt, weil er es spüren kann, wenn wir so nah beieinander stehen und uns berühren, so wie ich spüren kann, dass er immer noch einige Probleme hat mit dem Tempo der anderen mitzuhalten, er aber nichts sagen will, um uns nicht aufzuhalten, trotzdem fragt er mich, um mir die Möglichkeit zu lassen auszuweichen. Eine weitere seiner Eigenschaften, die ich sehr schätze. >>Ja, alles klar. Ich bin nur etwas erschöpft. Können wir vielleicht etwas langsamer gehen?<<
Ohne ein Wort verlangsamen Rumer und Keeden gleichzeitig ihre Schritte. Navin nur einen Sekundenbruchteil danach. Dereck sieht mich dankbar an und küsst mich auf die Wange. Seine Liebe durchströmt mich.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Rumer es schafft Keedens Gefühle und ihre eigenen zu verarbeiten, jetzt da zwischen den beiden so viel... sagen wir spontane Antisympatie herrscht.
Wir laufen noch weiter bis die Sonne sich langsam über die Bergketten am Horizont senkt und die Bäume tiefe Schatten werfen. Rumer lässt ihre Tasche auf den Boden fallen, schnappt sich ihren Bogen und verschwindet im Wald. Das Zeichen für uns, dass wir hier unser Nachtlager aufschlagen werden. Dereck und ich stoßen gleichzeitig einen erleichterten Seufzer aus. Unsere Blicke kreuzen sich und wir lächeln. Für ein herzliches Lachen ist die Luft einfach zu dick. Keeden hilft Dereck, der noch etwas ungelenk ist, sich hinzusetzen und macht sich daran das Zelt der beiden aufzubauen.
Seit dem riesigen Streit schlafen Dereck und Keeden wieder in einem Zelt und Ru und ich teilen uns das andere von unseren. Navin schläft allein. In Anbetracht er Situation vermutlich die beste Idee. Wenn Ru oder Keeden allein schlafen würden, müssten wir uns nachts immer Sorgen machen, dass einer von den beiden Navin absticht. Das wäre nicht nur schade, weil wir dann die Hilfe der Stämme knicken könnten, sondern auch, weil ich Navin gern hab. Nur irgendwie hat er es geschafft die geballte Wut auf sich zu ziehen. Die von Keeden erklärt sich von selbst, aber Ru ist mittlerweile noch angepisster, als am Anfang, da Navin es einfach nicht lassen kann sie zu provozieren. Ich weiß warum er das macht.
>>Bin gleich wieder da.<<, sage ich zu Dereck und gehe hinüber zu Navin, der sich unter einen Baum gesetzt hat und den Schatten genießt. Als ich näher komme, öffnet er die Augen.
>>Livvy. Was verschafft mir das Vergnügen?<<, fragt er und hebt eine Augenbraue.
>>Ich wollt dir nur sagen, dass dich nicht alle hassen. Dereck und ich haben kein Problem mit dir.<<
Er lächelt. >>Danke. Gut zu wissen, dass nur fünfzig Prozent von euch mich nicht ausstehen können.<<
>>Ru mag dich.<<
>>Sie hasst mich. Von Tag zu Tag mehr.<<, meint Navin und seine Fassade zeigt einen Augenblick Risse, als Bedauern in seinen Augen aufblitzt.
>>Nein. Sie ist nur sauer.<<
>>Müsstest du, als ihre beste Freundin dann nicht auch sauer auf mich sein?<<, will er nun wissen und verschränkt die Arme vor der Brust.
>>Nein. Ich weiß nämlich, was du für sie tust.<<, erwidere ich. >>Du provozierst sie, damit sie sich auf ihre Wut auf dich konzentrieren kann und ein wenig von den Schuldgefühlen abgelenkt wird. Du kennst sie nämlich und weißt wie wichtig ihr Loyalität ist und wie sehr sie unter der Situation leidet.<<
Navin schweigt. Er mustert mich lediglich mit seinen grauen Augen. Nach einer Weile nickt er langsam und ein schwaches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. >>Danke, Livvy. Tut gut mal wieder ein normales Gespräch zu führen.<<
>>Gerne. Wenn du reden willst, bin ich da.<<
Er steht auf und schnappt sich sein Zelt, um es aufzuschlagen. Einen Moment hält er inne. >>Ich komm darauf zurück.<< Dann macht er sich an die Arbeit.
Ich gehe zurück zu Dereck und Keeden, die in ein Gespräch vertieft sind. Es tut gut sie so entspannt zu sehen. Keeden lacht sogar ab und zu. Ich setze mich neben Dereck, mein Kopf auf seiner Schulter und höre den beiden Jungs ein bisschen zu, ohne wirklich den Inhalt des Gesagten wahr zu nehmen.

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