Sonntag, 5. Mai 2013

Livvy (38.)

Ich werde von Dereck geweckt, der versucht meinen Kopf vorsichtig von seiner Brust zu heben. Draußen höre ich die Vögel munter vor sich hin zwitschern, ein Geräusch, bei dem ich sofort entspanne.
>>Guten Morgen<<, sage ich zu Dereck und gähne herzhaft.
>>Morgen Engel. Hab ich dich geweckt?<< Er beugt sich zu mir und gibt mir einen Kuss, den ich lächelnd entgegen nehme.
>>Ich wäre sowieso bald aufgewacht.<<, antworte ich, während ich ihm über seine Haare wuschel. Er fängt an zu lachen und drückt mich zurück auf den Zeltboden. Er liegt halb auf mir, sodass ich unter ihm gefangen bin. Jetzt fange ich auch an zu lachen und küsse seine Nasenspitze.
Daraufhin beginnt er damit, meine Wangen und meinen Hals abwärts zu küssen. Jede Berührung seiner Lippen auf meiner Haut fühlt sich an wie ein Feuerschwall. Doch plötzlich hört er auf mich mit diesem Gefühl zu beschenken und richtet sich auf.
>>Wir sollten frühstücken gehen, damit du wieder zu Kräften kommst. Sonst lasse ich dich nicht losgehen.<< Er grinst und zwei kleine Grübchen kommen auf seinen Wangen zum Vorschein, auf die mein Herz mit einem extra Hüpfer reagiert.
>>Man, wieso immer wenn es gerade am Schönsten ist.<<, schmolle ich und knuffe ihm in die Seite. >>Weil ich einfach das perfekte Timing drauf habe.<< Das Argument tröstet mich nur wenig, dennoch lasse ich mich von ihm mit zum Frühstücksplatz ziehen.
Während ich esse, denke ich über Rumer nach. Sie hat uns zwar den Weg mit dem grünen Band markiert, aber was ist, wenn wir sie trotzdem nicht wiederfinden. Was ist, wenn sie von irgendwelchen Tieren angegriffen wird. Immerhin nähern sie und Navin sich gerade einer Strahlungszone.
Sie könnte sich beim Jagen verletzten oder am Feuer verbrennen.
Nein! Das kann ich nicht zulassen. Rumer gehört zu meiner Familie. Ich bin so blöd, warum hab ich sie denn alleine losziehen lassen. Auch die Tatsache, dass sie Navin bei sich hat, beruhigt mich in Moment nur wenig.
>>Alles klar bei dir Liv?<<, fragt Keeden besorgt. Noch halb in meinen unschönen Gedanken versunken nicke ich.
>>Sieht aber gerade nicht so aus. Erzähl, was bedrückt dich?<<, hakt er nach und stupst mir mit seinem Ellenbogen in die Seite. Ich schaue mich um. Dereck sitzt nicht mehr neben mir. Mir fällt auf, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass er gegangen ist.
>>Keine Sorge, er ist nur kurz zu Chazz gegangen. Und ich erzähl ihm auch nicht, was du mir jetzt sagst, wenn du das nicht willst<<, zwinkert er mir zu. Es ist ein gutes Gefühl mal mit einem Freund über seine Gedanken zu reden.
>>Also, ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich zugelassen habe, dass Rumer und Navin alleine losziehen.<< Bei diesem Thema verdunkelt sich die eben noch so zufriedene Miene von Keeden. >>Und ich habe ständig irgendwelche Tagträume, in denen Rumer sich verletzt, oder sie dabei ist zu sterben.<< Verzweifelt sehe ich Keeden in seine grau grünen Augen.
>>Rumer und sich verletzten. Darüber solltest du dir nicht den Kopf zerbrechen. Was mich viel mehr stört ist, dass sie mit diesem Penner alleine unterwegs ist. Dieser kleine Dreckssack vögelt doch jede, die bei drei nicht auf dem Baum sitzt.<< Er schnaubt verächtlich. >>Aber um Ru brauchst du dir keinen Kopf zu machen Livvy. Ich meine Rumer! Weltmeisterin der Überlebenskunst höchst persönlich. Und das solltest du eigentlich wissen.<< Er tätschelt mir auf den Kopf, um zu verdeutlichen, dass diese Gedanken total absurd waren.
Dann schaut er hoch und ich folge seinem Blick. Dereck liegt bauchlängs auf dem Boden und Keeden prustet los. Auch Dereck fängt lauthals an zu lachen und dreht sich den Bauch haltend zur Seite.
>>Was suchst du denn da auf dem Boden?<<, fragt Keeden und holt tief Luft.
Mit rotem Tomatenkopf richtet Dereck sich auf und klopft sich den Staub von seinen Shorts. Dann räuspert er sich. >>Äh, also da lag eine tollwütige Wurzel, die sich in meinem Fuß verbissen hat. Sie war so stark, das hat mich glatt zu Boden gerissen.<<, antwortet er. Er scheint stolz über seine so fantasievolle Ausrede zu sein, denn er läuft, naja eher stolziert, erhobenen Kopfes zu mir.
>>Du Spinner.<< Ich knuffe ihm lachend in seinen Bauch.
>>Nein wirklich! Du kannst froh sein, dass sie mich nicht ganz aufgefressen hat.<< Seine Lippen verziehen sich zu einem beleidigten Schmollen.
>>Oh, du Armer.<<, sage ich und wuschel ihm durch sein goldbraunes Haar.
>>Na warte Fräulein!<< Dereck springt auf und zieht mich auf die Beine. Dann beginnt er damit, mich überall durchzukitzeln. Ich zucke, lache und kreische, wie ein kleines Kind.
Einige Zeit später liegen wir immer noch lachend auf dem Boden. Ich drehe mich zur Seite, um ihm besser in seine graugrünen Augen sehen zu können. Sie reflektieren das Licht der Sonne und funkeln wie kleine Kristalle. Ich könnte sie den ganzen Tag ansehen und mich restlos in ihnen verlieren. Langsam beruhige ich mich und auch Dereck hört auf zu lachen. Jetzt lächelt er sein honigsüßes Grüpchen-Grinsen, was mir Gänsehaut auf die Arme bringt.
Seine Finger streichen mir eine meiner braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Seine Lippen berühren erst zaghaft meinen Hals und meine Wangen. Bei meinen Lippen angelangt werden die Küsse voller Drang und Liebe. Seine Hände wandern unter mein Shirt und meine Haut fängt überall da an zu kribbeln, wo seine Finger sie berühren.
>>Oh Gott. Leute sucht euch ein Zimmer!<< Keeden sieht uns kopfschüttelnd an. >>Hier laufen auch Kinder rum.<<
Dereck nimmt seine Hände von meiner Hüfte und streicht grinsend mein Shirt glatt.
>>Du bist ja bloß frustriert, weil wir hier unseren Spaß haben und du schon seit Ewigkeiten kein Mädchen mehr geküsst hast.<<, sagt er ein wenig provokant.
Keeden wird rot und schüttelt den Kopf. >>So lange ist das noch gar nicht her. Vor ein paar Tagen sogar erst.<<, sagt er zufrieden.
>>Echt?<<, frage ich ungläubig, >>Wer hat sich denn auf dich eingelassen?<<
>>Das wüsstest du wohl gerne.<<, sagt er und streckt und sie Zunge raus.
>>Ja, das wüsste ich wirklich gerne.<<, antworte ich lachend und stütze mich auf meine Arme. Dereck setzt sich ebenfalls neugierig auf.
>>Also Rumer hat mich geküsst.<< Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Geschockt sehe ich Dereck an, der mir mit dem gleichen Gesichtsausdruck entgegenblickt.
>>Ich glaube ihr solltet mal wieder von Kumpel zu Kumpel reden, meinst du nicht?<<, flüstere ich Dereck zu. Er nickt und gibt mir einen flüchtigen Kuss. Nichts im Vergleich zu den Küssen, die wir vorhin hatten. Er steht auf und geht zu Keeden.
Ich sehe ihm noch kurz nach. Meine Gedanken kehren zu Rumer und Navin zurück. Ich kann nicht noch länger warten. Sonst wird der Abstand zwischen uns immer größer und die Gefahr, dass wir sie nicht wiederfinden steigt mit jedem Schritt, den sie gehen.
Von Eile angetrieben springe ich auf und laufe zu meinem Zelt. Schnell öffne ich den Reißverschluss und lasse mich vor meiner Tasche auf die Knie fallen. Ich schnappe mir all meine Sachen und sortiere sie ordentlich in die Tasche. Die Tatsache, dass ich selbst wenn ich es eilig habe, noch ordentlich bin, bringt mich zum schmunzeln. In Gedanken noch bei Rumer merke ich gar nicht, dass Dereck sich an mich heranschleicht. Er knufft mir in die Seiten und ich quieke erschrocken.
>>Was machst du denn da?<<, fragt er neugierig.
>>Wir brechen auf. Ich bin wieder startklar und kann nicht länger warten. Entweder kommen du und Keeden mit mir mit, oder ich gehe eben alleine.<<, antworte ich in dem Wissen, dass er mich nie alleine losziehen lassen würde.

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