Sonntag, 26. Mai 2013

Livvy (40.)

Die Sonne brennt mir auf den Rücken, als ich aus dem Schatten des Waldes auf eine Lichtung trete. Ich kann es kaum erwarten wieder in den Schutz der Bäume einzutauchen. Wir sind seid ein paar Stunden unterwegs. Keeden ist ein paar Schritte vor mir und Dereck.
Er hat ein ziemliches Tempo vorgelegt und jetzt merke ich, wie meine Kondition in den letzten Wochen nachgelassen hat.
>>Können wir eine Pause machen? Liv atmet schon, als wäre sie durchgehend gesprintet.<<, ruft Dereck Keeden zu.
>>Mir geht´s gut Dereck.<< Aber er schnappt sich meinen Arm und hindert mich am weitergehen. Keeden dreht sich zu uns um. Der Ausdruck auf seinem Gesicht spiegelt Ungeduld wieder.
>>Sorry Keeden, aber ich darf nicht weiter.<< Schnaubend verdreht er die Augen.
Dereck holt eine Flasche Wasser aus seiner Tasche und reicht sie mir.
>>Du bist nicht ihre Mutter, Dereck.<<, stachelt Keeden und lächelt provozierend.
Kurz darauf landet ein kleiner Stein an seinem Kopf. >>Hey, nicht so aggressiv! Ich würde ja jetzt zurückwerfen, aber man schlägt keine Mädchen.<<
>>Ihr seid beide kleine zickige Prinzessinnen.<<, lache ich und knuffe Dereck in die Seite.
>>Lasst uns weiter gehen, solange es noch hell ist.<< Keeden schnappt sich seine Tasche und sieht Dereck erwartungsvoll an.
Er nickt und steckt die Wasserflasche wieder ein. Also laufen wir weiter.
Kurze Zeit später hält Keeden ein weiteres Makierungsband in der Hand. Ich fange einen kleinen Freundentanz an und er setzt lachend und jauchzend mit ein. Dereck schüttelt ungläubig mit dem Kopf. >>Ich bin mit zwei geistig Gestörten unterwegs. Wie konnte es bloß soweit kommen?!<<
Wir sind auf dem richtigen Weg. Jedes Band ist ein Fünkchen Hoffnung für uns, dass wir sie finden. Vor allem Keeden und ich sind jedes mal ganz euphorisch.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob Rumer das gleiche empfindet, wie Keeden. Ihm kann man seine Gefühle für sie in seinem Gesicht ablesen. Aber bei Ru gibt es noch Navin. Wenn wir sie wiedersehen muss ich dringend mal mit ihr reden. Naja, wahrscheinlich wird sie das nicht so toll finden, wenn ich sie auf ihre Gefühle anspreche.
Sie hat sich seit dem Genlabor eine dicke Mauer aufgebaut, die nur selten mal ein paar Risse bekommt. In gewisser Hinsicht haben wir alle nach dieser schrecklichen Zeit einen Schutzwall errichtet. Aber Rumers Selbstschutz ist stark. Meiner hingegen ist so zerbrechlich, wie mein Selbstbewusstsein.
Es gibt Tage, an denen ich am liebsten mit ihr tauschen würde. Nur um zu wissen, was sie denkt oder was sie im Inneren fühlt. Ich bin mir sicher, dass sie eigentlich sehr zerbrechlich ist.
Die Sonne verschwindet langsam hinter den Wipfeln der Bäume. Wir beschließen unser Lager für die Nacht aufzubauen. Während ich Holz für das Lagerfeuer sammle, baut Dereck die beiden Zelte auf. In der Zwischenzeit geht Keeden unser Abendessen jagen. Bei dem Gedanken daran zieht sich mein Bauch zusammen und gibt ein wütendes Knurren von sich. >>Ist ja gut! Du kriegst bald was zu essen.<<, murmel ich meinem Bauch besänftigend zu.
>>Redest du mit mir?<< Derecks Arme legen sich von hinten auf meine Schultern und ziehen mich an seine warme Brust.
>>Nein eigentlich nicht. Ich versuche gerade meinen Bauch zu beruhigen.<<
>>Ich wette, dass ich viel mehr hunger habe.<< Wie auf ein Stichwort knurrt sein Bauch.
>>Achja? Ich wette dagegen.<<
>>Willst du dich mit mir anlegen?<<
>>Schon möglich.<<
>>Respekt. Hätte nicht gedacht, dass du dich das traust.<< Er dreht mich zu sich um und nimmt mich grinsend in die Arme. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und atme seinen Geruch ein. Er riecht nach Zirtonenmelisse, Wald und Schweiß. Ich könnte mich in diesem Moment verlieren, wenn Keeden nicht lachend aus dem Gebüsch humpeln würde.
>>Ich hab ein Reh erwischt, aber es hat nach mir getreten, als es auf dem Boden lag.<< Seine Stimme wirkt etwas hysterisch, aber das kann auch nur meine Einbildung gewesen sein. Ich löse mich aus Derecks Armen und gehe auf ihn zu. Der leblose Körper des Rehs liegt neben ihm auf dem Boden und er hält sich seinen Oberschenkel.
>>Setzt dich schonmal ans Feuer.<<, sage ich ihm und hole meinen Medizinbeutel aus dem Zelt. >>Zieh mal deine Hose aus, dann kann ich das besser sehen.<< Keeden macht, was ich gesagt habe, ohne auch nur ansatzweise rot zu werden.
>>Es hat dich nicht tief getroffen. Nur leicht gestreift.<< Ich krame nach dem Kandarukraut und werde schnell fündig. Das große Blatt passt perfekt auf die leicht blutende Wunde und ich binde es mit einem Verband fest.
>>Danke Liv.<<, flüstert Keeden und lächelt.
>>Dafür nicht.<<, antworte ich und bringe den Beutel zurück ins Zelt. In der Zwischenzeit hat Dereck das Rehfleisch vorbereitet und angefangen es zu Braten.
>>Alles klar mein Engel? Wird Keeden es überleben?<<
>>Jap, ist alles bestens. So wie es aus sieht wird er wieder gesund. Ist das Fleisch bald fertig? Sonst muss ich dich gleich essen.<<
>>Ja, das ist sofort fertig. Aber bitte esse mich nicht. Bitte, ich bin noch zu jung, um zu sterben.<<
>>Du Spinner.<< Ich wuschel ihm lachend durch seine goldbraunen Haare.
Während des Essens schweigen wir. Die Sonne ist untergegangen und die Luft kühlt ab. Ein leichter Wind zieht auf und ich fange an zu zittern.
Ich fange an mich zu entspannen und merke, wie sehr der heutige Tag meine Kräfte geraubt hat. Der Abschied von Willow ist mir sehr schwer gefallen, aber Chazz hat versprochen, uns nachzukommen, sobald er die anderen von Rumers Idee überzeugt hat.
Der lange Fußmarsch und die Hitze haben es für mich auch nicht erträglicher gemacht. Als ich mich aufrichte, um schlafen zu gehen, merke ich wie meine Muskeln rebellieren. Na super, morgen wird das noch schlimmer werden.
>>Ich komme gleich nach, okay? Ich bin noch nicht ganz so müde.<<, sagt Dereck, als ich ihn an der Hand mitziehen will. Also lasse ich die beiden Kerle am Lagerfeuer zurück und gehe mich fürs Bett fertig machen. Nachdem ich vom Zähneputzen zurück bin, mummel ich mich in meinen Schlafsack. Schon wenige Augenblicke später schlafe ich erschöpft ein.

2 Kommentare:

  1. Eure Geschichte ist wikrlich klasse. Weiter so.

    http://greyfear.blogspot.de/

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    1. Dankeschön Fio né.
      Wir freuen uns, dass dir unsere Geschichte gefällt und hoffen, dass du Geduld mit uns hast, da wir momentan etwas unregelmäßig neue Kapitel veröffentlichen.
      Ich werde mir jetzt erst einmal deinen Blog anschauen :)

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