Mittwoch, 20. März 2013

Rumer (35.)

Zugegebenermaßen war ich mir nicht ganz sicher, ob es die richtige Entscheidung ist nur mit Navin weg zu gehen und meine Freunde zurück zu lassen. Aber jetzt bin ich es. Wir sind gerade mal seit ein paar Stunden unterwegs und schon spüre ich, wie ich wieder mehr... ich selbst werde. In Navins Nähe ist das ganz einfach, weil er keine Anforderungen an mich hat oder falsche Vorstellungen und ihm muss ich auch nichts vorspielen, weil er ja jetzt leider weiß, wie kaputt ich bin. Außerdem ist es mir relativ egal, was er von mir denkt.
Aber er behandelt mich wie immer. Na ja, dass kann man jetzt sowohl positiv, als auch negativ sehen, aber ich finde es auf jeden Fall besser, als wenn er mich jetzt wie eine zerbrechliche kleine Blume behandeln würde. Das würde er bereuen und mit einem Pfeil im Arsch bezahlen müssen!
>>Wie geht es deiner Hand eigentlich?<<, frage ich und sehe ihn von der Seite an. Es ist jetzt einige Wochen her, dass ich ihm seine Hand mit einem Pfeil durchbohrt habe, weil er Livvy angreifen wollte, aber trotzdem empfinde ich jetzt erst sowas wie... Schuldgefühle.
>>Es wird besser. Sollte nicht mehr lange dauern, bis das ganze verheilt ist. Und solange ich wieder jagen kann, ist ja alles in Ordnung.<< Er grinst und geht weiter.
Ich glaube wir haben es noch nie so lange mit einander ausgehalten, ohne uns zu streiten. Muss ein neuer Rekord sein. Aber er scheint sich auch ganz schön zusammen zu reißen. Sonst haut er einen unangebrachten Kommentar nach dem anderen heraus. Aber jetzt... nichts. Wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja, das eine Weile so durch zu halten.
>>Also, wie sieht dein Plan aus?<<, fragt Navin nach einer Weile, als er gerade über einen umgestürzten Baum klettert.
>>Ehrlich gesagt habe ich noch keinen.<<, gestehe ich und versuche hinterher zu klettern, aber ich komme nicht hoch. Plötzlich taucht eine Hand vor meinen Augen auf. Ich ergreife sie. Navin, der oben auf dem Stamm sitzt, zieht mich hoch. >>Danke.<<
>>Kein Problem. Aber was soll das heißen, du hast noch keinen?<< Wir springen fast gleichzeitig runter und laufen dann weiter.
>>Na ja, ich hab mir noch nicht wirklich etwas überlegt. Ich weiß nur, dass wir das Labor stoppen müssen. Das wie, erschien mir vorerst nicht so wichtig.<< Ziemlich dumm im Nachhinein betrachtet.
>>Das bist mal wieder typisch du. Tatendrang ohne Ende, aber keine Strategie. Was hast du denn erwartet? Das wir da einfach reinspazieren, mit unseren Bögen und sie kampflos aufgeben?<<, fragt Navin und lacht. Ich werde wütend, aber er hat ja recht. Ich handel ziemlich oft unüberlegt, weil ich mich von meinem Temperament leiten lasse.
>>Natürlich nicht. Die haben neumoderne Waffen mit denen können wir nicht mithalten. Unsere einzige Möglichkeit ist im Prinzip entweder unerkannt rein zu kommen und das Labor Stück für Stück von innen zu zerstören, oder den Überraschungsmoment auszunutzen und sie zu überrumpeln, bevor sie überhaupt wissen, wie ihnen geschieht.<< Wow, wo kam das denn her? Ich habe gerade tatsächlich mal nachgedacht. Ich bin echt stolz auf mich.
Navin nickt anerkennend. >>Ganz genau. Aber da ich denke, dass die da ziemlich gute Sicherheitskontrollen haben, vor allem nach eurer Flucht, wird das mit dem einschleusen wohl nichts. Also müssen wir sie überrumpeln und dafür brauchen wir Hilfe.<<
Ich nicke langsam. Hoffentlich schafft Chazz es einige der Ausgestoßenen zu überreden. Sie sind zwar auch nicht viel besser bewaffnet, als wir, aber wenn wir genug Leute zusammen bekommen, ist das vielleicht gar nicht so wichtig.
>>Noch haben wir ja Zeit uns etwas zu überlegen, bis wir uns in einem Monat mit Chazz und hoffentlich noch mehr Verbündeten treffen. Bis dahin haben wir noch eine lange Reise vor uns.<<, sage ich und bleibe stehen, weil ich etwas gehört habe. >>Warte mal.<<, flüster ich und zücke meinen Bogen. Vorsichtig lege ich einen Pfeil auf und spanne ihn. Dann schleiche ich ein Stück in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Navin folgt mir, ebenfalls mit gespannter Waffe.
Na ein paar Metern finden wir uns am Rand einer Lichtung wieder, auf der eine Herde Rehe grasen. Navin und ich wechseln einen kurzen Blick und nicken uns dann zu. Dann geht es los.
Wie immer visieren wir erst das stärkste Tier an und schießen fast gleichzeitig. Es gibt einen gequälten Laut von sich und die anderen geraten in Panik. Das ist unsere Chance. Ich zücke meine Wurfmesser und schmeiße sie auf ein Reh, dass in unsere Richtung fliehen will. Ich verletzte ist an der Schulter und im Magen und es fällt hin. Navin schießt in der Zeit auf die Herde.
Ich springe auf dem Gebüsch und nehme den Kopf des Rehs in meine Hände. >>Tut mir leid, aber du hast dich für die falsche Richtung entscheiden.<<, murmele ich und breche ihm dann mit einem Ruck das Genick.
Mittlerweile sind die anderen Tiere panisch zu allen Seiten geflohen, so dass ich erkennen kann, dass Navin den Anführer erlegt hat. Mehr als zwei wäre ohnehin viel zu viel gewesen. Das Fleisch hält sich nicht solange, wenn man es nicht einlegt und wir haben keine Kräuter hier.
>>Wir sollten ein Feuer machen und das Fleisch zubereiten, dann haben wir nicht so viel zu schleppen.<<, schlägt Navin vor und wirft sich seine Beute über die Schulter, als wäre es nichts.
>>Okay. Am besten gehen wir dazu zurück zum Fluss. Dann können wir auch gleich unser Lager dort aufschlagen. Es wir bald dunkel und für heute haben wir genug Strecke zurück gelegt.<<
Er nickt und wir tragen unsere Beute zum Fluss. Na ja, Navin trägt seine Beute. Ich schleife meine hinter her, was mich ein wenig Zeit kostet. Als ich beim Fluss ankomme, hat Navin bereits ein schönes, prasselndes Feuer entzündet.
Schweigend setzen wir uns nebeneinander und fangen an die Beute zu häuten uns aus zunehmen. Es fühlt sich fast an, wie sonst immer, wenn gemeinsam von der Jagd kamen und beim Stamm am Lagerfeuer saßen. Nur, dass ich jetzt nicht mehr dorthin zurück kann. Leider.
>>Werden die vom Stamm sich nicht fragen, wo du bleibst?<<, frage ich Navin und sehe ihn an. Er wirkt nachdenklich.
>>Wahrscheinlich schon, aber mir wird schon was einfallen.<<, meint er nach einer Weile und widmet sich wieder seinem Hirsch.
>>Das könnte dir ne Menge Ärger einhandeln.<<, murmele ich und sehe ins Feuer.
>>Es wird mir sogar ganz sicher ne Menge Ärger einhandeln. Aber das ist es mir wert.<< Ich sehe ihn wieder an und er zwinkert mir zu.
Was sollte das jetzt wieder heißen?

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