Mittwoch, 27. Februar 2013

Rumer (31.)

Als ich aufwache, gestatte ich es mir noch einige Minuten lang liegen zu bleiben und zu entspannen, bevor ich die Welt wieder mit ihren Problemen auf mich einschlagen lasse. Es fühlt sich so gut an in Navins Armen zu liegen. So sicher. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal so tief geschlafen habe. Es ist jedenfalls schon ewig her. So hell ist es selten, wenn ich aufwache. Moment mal!
Ich schrecke hoch, wodurch ich Navin aufwecke, der sich nun ebenfalls aufsetzt.
>>Was ist denn los?<<, fragt er und fährt sich mit der Hand durch sein zerzaustet blondes Haar.
>>Wir haben verschlafen! Es ist bestimmt schon Mittag!<< Hektisch ziehe ich meine Schuhe an.
>>Und wo liegt das Problem?<<, will Navin nun wissen.
>>Sie haben bestimmt schon bemerkt, dass wir weg sind!<<, antworte ich und sehe ihn ernst an.
>>Ich verstehe immer noch nicht, was daran so schlimm sein soll.<<
Das Schlimme daran ist, dass es Keeden verletzen würde mich hier bei dir zu sehen. Vor allem, wenn er fühlt, wie entspannt ich bin. Er würde elend lang sauer auf mich sein, weil ich nicht zu ihm gegangen bin, sondern zu dir!, will ich eigentlich sagen, aber was ich wirklich sage ist: >>Es ist halt so!<< Navin bohrt zu meiner Erleichterung nicht weiter nach, sondern zuckt nur die Schultern.
Ich öffne vorsichtig den Reißverschluss seines Zeltes und spähe hinaus. Niemand zu sehen. Also schiebe ich mich durch die Öffnung und schließe das Zelt wieder hinter mir, damit er sich in Ruhe umziehen kann. Dann gehe ich wachsam zum Zelt von Livvy und mir und bete inständig, dass sie nicht da ist. Ich muss erstmal meine Gedanken ordnen, bevor ich mit jemandem über die letzte Nacht reden kann.
Livvy ist nicht beim Zelt. Dafür steht allerdings Keeden, mit verschränkten Armen vorm Eingang. Mein Herz sackt mir in die Hose. Scheiße!
>>Na.<<, sagt er. Seine Stimme klingt eiskalt. Oh Backe. Ich hab richtig verkackt!
>>Hallo.<<, grüße ich kleinlaut zurück. Es gibt nicht viel, was mir etwas ausmacht, aber wenn Keeden sauer auf mich ist, dass weiß ich aus früheren Erfahrungen, macht mich das total fertig.
>>Schöne Nacht gehabt?<<, fragt er verächtlich. Das geht jetzt aber zu weit! Ich wurde von den gesamten Ausgestoßenen fertig gemacht und hatte einen Nervenzusammenbruch! Es ist ja nun nicht so, als hätte ich mir einen schönen Abend mit Navin im Wald gemacht! Er war nur zufällig da. Okay, ich bin danach zu ihm gegangen, aber trotzdem! Allein aus Trotz antworte ich: >>Ja. Es war echt wundervoll.<<
Keedens Hände verkrampfen sich und seine Muskeln spannen sich an. >>Was hat dieser Scheißkerl mit dir gemacht?<< Er schreit. Er schreit sonst nie.
>>Er hat gar nichts gemacht. Er hat nur dafür gesorgt, dass ich niemandem an die Kehle springe!<<, verteidige ich ihn. Wow! Wer hätte gedacht, dass ich Navin einmal gegen Keeden verteidigen würde? Kranke Welt.
>>Ach ja? Und das war alles?<< Keeden tut ja geradezu so, als wäre ich ihm Rechenschaft schuldig.
>>Das war alles.<<, schieße ich zurück.
>>Und dafür musstest du in seinem Zelt schlafen?<< Shit! Er weiß bescheid. Damit hatte ich nicht gerechnet.
>>Ich...<<, versuche ich zu beginnen, aber Keeden lässt mich nicht ausreden.
>>Erst stehst du auf und erklärst einen Kampf gegen das Genlabor, dann haust du mit diesem Kerl ab und dann pennst du auch noch bei ihm im Zelt! Was ist nur los mit dir?<<, brüllt er mich an.
>>Du klingst als wäre ich total verrückt!<<, schreie ich zurück. Keedens Züge werden etwas sanfter.
>>Ich halte dich doch nicht für verrückt. Ich denke nur, dass du möglicher Weise nicht mehr klar denken kannst.<<, sagt er und versucht zu lächeln. Mir ist klar, dass das eine halbe Beleidigung ist, aber das ist mir im Augenblick total egal, denn ich bin nur froh, dass er nicht mehr schreit.
>>Vielleicht kann ich ja echt nicht klar denken.<<, meine ich darum. Er wird wieder wütend, dass spüre ich, denn seine Wut durchströmt mich und brennt in mir, als wäre es mein eigener Zorn.
>>Das liegt alles an ihm! Ich weiß nicht wie er das macht, aber er ist nicht der Richtige für dich!<<
>>Ach und du schon?<<, frage ich. Keeden zögert. Ich kann an seinem Gesicht ablesen, dass er innerlich mit sich ringt.
>>Ja. Ich würde alles für dich tun, Ru.<<
Mir schnürt sich die Kehle zu. >>Keeden... ich...<<
>>Spar es dir. Ich will es gar nicht hören.<<, sagt er erschöpft und massiert sich die Nasenwurzel. Der Streit geht ihm genauso nah, wie mir.
>>Keeden...<<, beginne ich, aber er wendet sich ab und will gehen. Ich packe ihn am Arm und halte ihn fest. >>Keeden!<<, sage ich mit etwas mehr Nachruck.
Langsam dreht er sich zu mir um und sieht mich ausdruckslos an. Das zeigt mir, dass ich richtig Scheiße gebaut und ihn ernsthaft verletzt habe, obwohl das gar nicht meine Absicht war.
>>Was?<<, fragt er, als ich nicht weiter spreche. Ja, was? Nichts was ich sagen könnte, kann die Situation retten.
Also tue ich das einzige was mir einfällt. Wahrscheinlich eine Kurzschlussreaktion meines Gehirns. Ja, ganz bestimmt! Denn ich umfasse sein Gesicht mit den Händen, ziehe ihn sanft zu mir runter, stelle mich auf Zehenspitzen und küsse ihn.
In dem Moment, als unsere Lippen sich berühren, fließen unsere Gefühle wieder ineinander. Ich spüre seinen Schock, aber direkt danach auch seine unbändige Freude, als er seine Arme um mich legt und mich näher zu sich heran zieht.
Nach kurzer Zet lose ich mich wieder von ihm und frage: >>Wieder alles okay?<<
>>Ja. Alles okay.<<, antwortet er und grinst.
Ich grinse zurück. Scheiße! Was hab ich getan?

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