Sonntag, 3. Februar 2013

Livvy (24.)

Willow! Oh mein Gott, meine Kleine. Sie ist hier. Sie lebt noch!
Sie kommt auf mich zu gerannt und ich schließe sie in meine Arme. Vor lauter Glück und Wiedersehensfreude fangen wir beide an zu weinen.
Ich habe mich so auf den Tag gefreut an dem ich sie, meine Blutsschwester, in den Arm nehmen und nie wieder her geben kann. Und er ist wahr geworden. Es steht zwar ein Haufen von Ausgestoßenen um uns alle herum, die ihre Waffen noch immer auf uns gerichtet haben. Aber das ignoriere ich. Das wichtigste ist, dass ich Willow bei mir habe.
>>Willow! Was sind das für Leute?<<, ruft der Kerl, dem Rumer gerade ein Messer vor die Kehle hällt. Sie löst sich aus meiner Umarmung und wischt sich die Tränen von ihren rosigen Wangen.
>>Das ist meine Schwester Livvy. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann sind die anderen hier Rumer, Dereck und Keeden.<<, antwortet sie mit leicht brüchiger Stimme.
Einige der Ausgestoßenen lassen ihre Pfeile sinken. Mein Blick wandert durch die Reihen. Keines der Gesichter kommt mir bekannt vor. Also sind die, die uns bei der Flucht geholfen haben entweder tot, oder sie sind noch im Genlabor gefangen. Keine der beiden Optionen würde ich ihnen wünschen. Aber ich bin ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet.
>>Ist deine Schwester nicht ein Angen?<<, ertönt eine tiefe Stimme aus den hinteren Reihen. Ein raunen geht durch die Menge.
>>Alle vier sind Angens!<<, erwidert eine weitere Stimme irgendwo hinter mir. Das Gemurmel verstummt.
>>Bringen wir sie ins Lager. Da fesseln wir sie und entscheiden dann, was wir mit ihnen machen.<<, sagt ein Typ mit einer Hand auf der Stirn. Er geht auf Rumer zu und nimmt ihr das Messer weg. Moment mal. Er hat eine Hand auf der Stirn? Ihm wächst eine Hand über seinen Augen. Keeden und Dereck scheinen es auch bemerkt zu haben, denn sie machen sich gerade über ihn lustig.
Einen Moment später bekommen beide eine schallende Ohrfeige vom Stirn-Hand-Kerlchen. Ich glaube, ich könnte mit so was nicht leben, wer soll einen denn da noch ernst nehmen. Und gesund ist sowas bestimmt auch nicht.
Jemand stößt mir eine Hand in den Rücken, sodass ich nach vorne stolper. Wir werden zu einer großen Lichtung gebracht, wo uns mehrere Typen Hand- und Fußgelenke fesseln.
>>Die sind keine Gefahr für uns.<<, sagt ein großgewachsener Junge. Ich erkenne ihn wieder, es ist Chazz. Er hat uns bei der Flucht geholfen.
>>Wie sollen wir uns da denn sicher sein. Sie sind Angens, woher sollen wir uns sicher sein, dass sie uns nichts antun wollen?!<<, meint der Stirn-Hand-Kerl und mustert uns verächtlich.
>>Sie ist meine Schwester! Und ich weiß, dass sie nie einer Fliege was zu Leide tun würde. Genau wie Rumer und die beiden Kerle.<<, schreit Willow aufgeregt.
>>Du hast sie doch schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, oder? Menschen verändern sich schneller als man denkt.<<, erwidert ein weiterer Kerl.
>>Wir sollten nicht jedem blind vertrauen, der behauptet nett zu sein.<<, ertönt es von weiter hinten.
>>Aber sie sind nett. Das weiß ich. Sie ist meine Schwester!<< Willow hat vor Verzweiflung und Wut Tränen in den Augen. Aber sie fängt sich schnell wieder und wischt die Tränen mit ihrem Ärmel ab.
>>Wie können wir ihnen denn vertrauen, wenn wir nicht wissen was sie für Wesen sind. Oder weiß hier irgendjemand, was Angens für Besonderheiten haben?<<
>>Sie altern langsamer, sobald sie ausgewachsen sind. Das war alles. Naja und ihre Augen sind mit Farbe durchzogen.<< Willow setzt sich für uns ein. Ich bin so stolz auf meine Kleine. Sie durchborrt jeden, der etwas gegen uns sagt, mit einem bösartigem Blick. Ich könnte schwören, wenn Blicke töten könnten, würde hier ein Haufen von Leichen rumliegen.
>>Dieser Kerl, der gestern hier angekommen ist, hat uns vor Angens gewarnt! Und jetzt sollen wir einfach so einem kleinen Mädchen glauben, dass sie harmlos sind?<<
Welcher Kerl? Oh man. Einer aus dem Cazanara-Stamm wahrscheinlich. Hätte mir auch klar sein können, nachdem sie mich erkannt haben, mussten sie ja die anderen warnen.
>>Wo ist er eigentlich gerade? Holt ihn her! Er soll mit entscheiden.<< Das Hand-Stirn-Kerlchen mischt sich wieder mit ins Gerede. Einige der Ausgestoßenen machen sich auf die Suche nach ihm. Willow kommt mit übertrieben breitem Grinsen auf mich zu.
>>Liv! Der Typ von dem die reden,<<, sie macht eine Pause und quiekt kurz, >>ist mein Freund. Er ist so heiß. Oh man. Ich bin so froh, dass du ihn kennen lernst!<< Sie springt auf einer Stelle auf und ab. Ihr honigkuchenpferdiges Grinsen bringt Rumer und mich zum lachen. Sie sieht damit eher aus, wie ein gequelter Esel.
>>Da ist er ja.<<, sagt ein Mädchen und lächelt versonnen. Ich lehne mich leicht zur Seite, weil Willow mir die Sicht versperrt. Zwischen den Ausgestoßenen läuft ein Kerl mit blondem Haar hindurch. Er kommt auf uns zu. Ich höre wie Rumer scharf die Luft einzieht. Da Willow jetzt zur Seite tritt, sehe ich den Typen genauer.
Moment mal. Er kommt mir bekannt vor. Das ist doch der arrogante Kerl, dem Rumer in die Hand geschossen hat. N.. Na.. Ich komme nicht auf seinen Namen.
>>Navin?!<<, zischt Ru entsetzt und gleichzeitig verwirrt. Genau...Navin!
Er mustert uns vier Gefesselten mit leicht spöttischem Blick.
>>Die beiden Kerle kenne ich zwar nicht, aber ich weiß, dass Angens nicht gefärhlich sind. Sie können nichts, was wir nicht auch können. Außer die Blonde hier. Die schießt Kerlen gerne mal durch ihre Hände.<<, sagt er und guckt Rumer herausfordernd an.
>>Und warum hast du uns dann gestern vor ihnen gewarnt?<<, fragt ein kleiner Junge.
>>Da wusste ich noch nicht, dass sie hier herkommen. Und solltest du nicht noch mit Puppen spielen, anstatt dich hier einzumischen?<< Der kleine Junge sieht verletzt aus.
>>Ist er nicht einfach heiß?<<, schwärmt Willow verträumt. Also Navin ist ihr Freund?! Er schenkt ihr nicht mal einen Blick. Wahrscheinlich einseitiges Verlangen einer 12-jähirgen.
Nach weiteren endlos lang wirkenden Minuten des Diskutierens werden unsere Fesseln endknotet und wir sind frei. Rumer kommt zu mir rüber und stellt sich neben mich.
>>Na, dein Kerl hat uns echt aus der Patsche geholfen.<<, flüstere ich ihr zu und stoße ihr sacht mit meinem Ellenbogen in die Rippen. Sie funkelt mich böse an.
>>Er ist nicht mein Kerl!<<, zischt sie mich an. Willow, die unser Geflüster mitbekommen hat, grillt Rumer mit einem mörderischen Blick.
>>Ihr kennt euch?<<, fragt sie entsetzt.
>>Ja, wir waren drei Jahre lang Jagdpartner.<<, sagt Rumer und starrt Navin weiterhin ungläubig an. Ich kann sie verstehen. Er ist ein riesen Arschloch, und obendrein hat er sie bei ihrem Abschied geküsst. Das alles muss sie jetzt gerade ziemlich aus der Bahn geworfen haben.
Wütend stapft Willow zu ihrem Zelt. Wow, also ihre Stimmungsschwankungen sind heute aber ganz schön stark. Junge liebe...
Bei diesem Gedanken kommt mir Dereck in den Sinn. In den letzten Tagen haben wir uns zusammen wie kleine Kinder aufgeführt. Ich habe einfach immer gute Laune in seiner Nähe. Trotzdem bin ich unsicher im Bezug darauf, ob ich schon bereit für eine Beziehung bin.
>>Hey. Aufwachen Livvy!<< Wenn man vom Teufel spricht. Oder in meinem Fall denkt. Dereck steht vor mir und schnippst mit den Fingern um meine Ohren.
>>Häh, was?<<, frage ich noch leicht verträumt.
>>Wir können jetzt unsere Zelte aufstellen. Die anderen sind schon aufbauen gegangen. Nur du stehst hier noch rum und träumst.<<, sagt er und lacht. Meine Wangen erröten. Oh man ist das peinlich.
>>Was ist, willst du jetzt noch weiter träumen, oder mithelfen<< Dereck nimmt meine Hand und zieht mich hinter sich her. Ich lasse mich von ihm mitziehen. Seine Hand ist warm und es fühlt sich gut an, sie zu halten. Meine Wangen glühen, naja brennen trifft es wohl eher.
Er setzt mich bei Rumer ab, die das Zelt schon fertig aufgebaut hat, lächelt mich verschmitzt an und geht dann zu Keeden. Ich sehe ihm nach. Er ist so heiß... Hör jetzt auf zu träumen, Livvy! 
Rumer, die mich von hinten in die Seiten pickst, lächelt mich mit diesem Blick an, der soviel sagt wie 'Aha, also du und Dereck? Rwar, ihr beiden seit so...'. Ich schubse sie zur Seite und wir lachen.
Doch auf einmal verdunkelt sich ihre Miene. Ich folge ihrem Blick und erblicke Navin, der auf uns beide zu schreitet.

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