Mittwoch, 6. Februar 2013

Rumer (25.)

Meine Muskeln spannen sich an, als ich Navin auf uns zukommen sehe. In mir regt sich Wut und ich würde ihn an liebsten anspringen und erwürgen. Aber ich halte mich zurück. Es würde uns Angens nicht gerade harmlos aussehen lassen, wenn ich Navin jetzt angreifen würde. Auch wenn er es verdient hat. Voll und ganz!
>>Hey. Lange nicht mehr gesehen, Rumer.<<, meint er und mustert mich von oben bis unten, was mir ehrlich gesagt ziemlich unangenehm ist. Ich trete einen Schritt zurück.
>>Zu kurz, wenn du mich fragst.<<, sage ich und verstaue meine Sachen im Zelt, nur um irgendwas tun zu können.
>>Ich geh mal und schau, wie's Willow geht.<<, meldet sich Liv zu Wort und macht sich aus dem Staub. Verräterin!
>>Und hast du mich vermisst?<<, fragt Navin und kommt einen Schritt näher. Ich gehe syncron einen zurück.
>>Als wenn ich dich vermissen würde. Ich habe mich gefreut dich endlich los zu sein. Apropos, was machst du eigentlich hier?<< Ich sehe ihn fragend an und weiche noch ein wenig zurück. Er ist mir viel zu nahe für meinen Geschmack. Seit unserer letzten Begegnung, wo er mich geküsst hat, fühle ich mich unwohl, wenn er so nahe an mich herankommt. Na ja, noch unwohler als sonst, wenn er nur seine anzüglichen Bemerkungen gemacht hat.
>>Ich hab die Ausgestoßenen vor den Angens gewarnt, wie man es mir aufgetragen hat.<<, antwortet er und grinst, weil er weiß, wie ich darauf regieren werde.
>>Wieso warnst du sie? Sie hätten uns umbringen können!<<, schreie ich ihn an und balle die Hände zu Fäusten. Der Typ regt mich einfach auf!
>>Hätte ich gewusst, dass ihr hier her kommt, hätte ich es ihnen nicht gesagt, aber ich wusste es nun mal nicht, mir sagt ja keiner was.<< Da hat er leider recht. >>Außerdem bist du ja nun echt nicht gerade harmlos.<<, antwortet er und hält seine eine Hand in die Luft, in deren Mitte eine fast verheilte Wunde ist, von dem Pfeil, den ich hindurch geschossen habe. Ein Beweis dafür, wie leicht ich die Beherrschung verliere, wenn es um meine Freunde geht. Ich habe Liv retten wollen, obwohl ich nicht mal wusste, ob sie sich nicht vielleicht verändert hat und mich für eine Verräterin hält, weil ich sie damals allein gelassen habe, um Keeden und Dereck zu suchen. Damit sie leben kann, hätte ich einen Rausschmiss beim Cazanara-Stamm in Kauf genommen. Eine Existenz, als Einzelgängerin. Aber ich würde es immer wieder tun, denn Liv, Keeden und Dereck sind meine Familie und ich würde für jeden von ihnen mein Leben geben.
Trotzdem muss ich lernen mich besser unter Kontrolle zu halten und Navins Wunde, beziehungsweise, die Narbe, die zurückbleiben wird, wird mich ewig daran erinnern. Vorausgesetzt ich erschieße ihn nicht vorher.
>>Gewissensbisse?<<, fragt Navin und sieht mich herablassend an. Ich presse die Kiefer zusammen.
>>Wieso, sollte ich?<<, will ich wissen und sehe ihn herausfordernd an. Er grinst selbstzufrieden. Oh, oh. Ich kenne dieses Grinsen. Es bedeutet nichts Gutes.
>>Vielleicht, weil selbst dir endlich mal klar geworden ist, dass ich, trotz der ganzen Scheiße, die du mit mir abziehst und obwohl du nicht wirklich nett zu mir bist, immer zu dir gehalten habe.<< Er hat recht. Selbst als ich vor dem Stamm geflohen bin und er mich eigentlich hätte fangen oder töten sollen, hat er mir noch geholfen und mir meine Sachen gebracht. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen. Und behandel ihn trotzdem scheiße. Na toll! Jetzt hab ich echt Gewissensbisse!
>>Danke.<<, bringe ich hervor und zwinge mich dann die nächsten Worte auszusprechen: >>Ich schulde dir was.<<
Das Grinsen in seinem Gesicht wird verschlagen. Das bedeutet noch weniger Gutes als das andere.
>>Mir fällt auch schon etwas ein.<<, sagt er und kommt näher. Ich bin unfähig mich zu bewegen, denn mein Gehirn ist noch am arbeiten, was er wohl meinen könnte. Kurz vor mir bleibt er stehen und beugt sich zu mir runter. >>Küss mich.<<, haucht er mir ins Ohr. Ich schaudere und sehe ihn erschrocken an. Das kann nicht sein Ernst sein. Aber sein Blick sagt mir, dass es sein voller Ernst ist. Er legt seine Hände an meine Hüfte und zieht mich näher zu sich heran. Meine Haut kribbelt überall wo er mich berührt und ich bin immer noch nicht in der Lage etwas zu tun.
Plötzlich überschwemmt mich eine Welle aus Zorn und Eifersucht und Navin wird von mir weggerissen. Erschrocken sehe ich Keeden an, der aussieht, also wolle er Navin an die Kehle gehen.
Navin bleibt mal wieder vollkommen gelassen und sieht mich belustigt an: >>Ein Freund von dir?<<
Bevor ich antworten kann, meint Keeden gereizt: >>Wer bist du denn, wenn man fragen darf?<<
>>Ich bin ihr Freund.<<, antwortet Navin, der das Ganze auch noch lustig zu finden scheint, seelenruhig und legt mir einen Arm um die Schultern. Keedens Schmerz überwältigt mich, so dass ich wieder richtig zu mir komme.
Ich stoße Navin weg und brülle: >>Das könnte dir so passen, was? Verpiss dich!<<
>>Na schön. Dann hole ich mir den Gefallen, den du mir schuldest ein anderes Mal.<<, meint Navin und drückt mir einen Kuss auf die Wange. >>Ich hab dein Temperament vermisst, Rumer.<< Mit diesen Worten dreht er sich um und geht weg. Gegen meine Willen schaue ich ihm nach. Bis mir klar wird, dass Keeden immer noch neben mir steht und mich ansieht.
>>Wer war das?<<, fragt er und weicht meinem Blick aus. Es ist ihm unangenehm, dass er so ausgetickt ist, dass kann ich spüren. Und es ist ihm unangenehm seine Gefühle mir gegenüber so offensichtlich gezeigt zu haben. Um ehrlich zu sein, ist es mir genauso unangenehm.
>>Mein alter Jagdpartner. Wir haben uns beim Cazanara-Stamm kennen gelernt.<<, erzähle ich und suche nach einer Möglichkeit diesem Gespräch zu entkommen.
>>Hast du was mit ihm?<< Keedens Stimme bebt, als er das fragt.
>>Nein!<<, sage ich entsetzt und muss dann lachen.
>>Was ist so witzig?<<, will Keeden wissen und schaut mir in die Augen. Als unsere Blicke sich treffen vermischen sich unsere Gefühle für einen Moment zu einem großen Strudel und ich kann nicht mehr auseinander halten, was zu wem gehört. Dann habe ich mich wieder unter Kontrolle und hole tief Luft.
>>Navin ist so ziemlich der letzte Kerl auf dieser Welt mit dem ich was anfangen würde.<<, antworte ich schließlich auf Keedens Frage. Er sieht beruhigt aus und lächelt. Ich versuche zurück zu lächeln, aber mir geht einfach nicht dieses Gefühl aus dem Kopf, wie es war, als Navin mich an sich gezogen hat.
Bevor etwas davon zu Keeden überspringen kann, sage ich: >>Wir sollten zu den anderen gehen.<< und stapfe an ihm vorbei auf Livvy, Dereck und Willow zu, wobei mir auffällt, dass Willow mich ansieht, als wolle sie mich umbringen, aber das ignoriere ich. Wenn es wegen "ihrem Freund" ist, dann ist es sowieso unnötig, wenn sie sauer auf mich ist. Ich steh nicht auf Navin und er nicht auf mich. Er versucht nur mich zu ärgern, weil es ihm Spaß macht mich wütend zu sehen.
Aber zwei Dinge sind mir jetzt vollkommen klar und die werde ich nie wieder vergessen: Navin ist immer für mich da, wenn es wirklich drauf ankommt.
... Und ich schulde ihm einen Gefallen.

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