Sonntag, 24. Februar 2013

Livvy (30.)

Ich werde wach, als Dereck den Reißverschluss des Zeltes hinter sich schließt. Ich drehe mich zur Seite. Rumer ist nicht da, also bin ich alleine.
Ich genieße die Stille, die das Alleinsein mit sich bringt, wünsche mir aber schon bald, dass Dereck wieder neben mir liegt. Bei ihm fühle ich mich geborgen. Ich kann ich selbst sein, ohne darüber nachzudenken, irgendetwas falsch zu machen.
Die Sonne scheint und ihre Strahlen erwärmen das Zeltinnere. Ich öffne meinen Schlafsack und ziehe mich um. Dann schnappe ich mir Zahnbürste und Kräuterpaste und trete ins Freie. Nach einem herzhaftem Gähnen mache ich mich auf die Suche nach Willow.
Chazz, der gerade mit ein paar anderen der Ausgestoßenen zusammen ein großes Frühstück vorbereitet, winkt mir lächelnd zu. Bei seinem Anblick muss ich auch lächeln und winke zurück. Für Rumer ist er wie ein Bruder. Doch ich war zu sehr mit meiner Schwester beschäftigt, als das ich ihn in der Zeit im Gen-Labor richtig kennenlernen konnte. Im Nachhinein betrachtet hätte ich einiges anders gemacht. Aber Vergangenheit bleibt vergangen und etwas nach zu trauern, was schief gelaufen ist, zerreißt einem nur die Seele.
Willow kommt auf mich zugestampft. Super, dann brauch ich nicht mehr suchen! Ihre Augenringe verraten mir, dass sie irgendetwas ziemlich beschäftigt, weswegen sie nicht schlafen kann.
>>Ist alles klar bei dir? Du sieht grässlich aus, Kleines!<<, sage ich zu ihr, während wir zu einem kleinen Bach gehen. Erst nach langem Schweigen antwortet sie mir.
>>Es ist wegen Navin.<< Ne, das hätte ich ja jetzt nicht gedacht. >>Seit Rumer hier ist, ist er auf einmal so total abweisend zu mir. Ich kann das gar nicht verstehen. Das macht mich fertig. Diese blöde Mistkuh klaut mir einfach meinen Freund. Aber das beste ist ja noch, dass sie heute Nacht bei ihm in SEINEM Zelt geschlafen hat.<< Ich verschlucke mich an dem Kräuterpastenschaum. Keuchend spucke ich ihn aus und ringe nach Luft. Es dauert eine Zeit bis ich mich wieder eingekriegt habe.
>>Woher weißt du denn, dass sie bei ihm übernachtet hat?<<, frage ich sie, noch immer mit kratzen im Hals.
>>Also..Äh..Ich stand vor seinem Zelt und wollte gerade rein gehen, da kam sie an und hat alles kaputt gemacht.<< Ihre Augen glänzen.
>>Was wolltest du denn bei ihm?<<, frage ich und sehe Willow forschend an. Ihre Wangen fangen an zu erröten. Und schnell ist ihr gesamter Kopf rot. Fast Tomatenfarben. Das erinnert mich an etwas. Langsam frage ich mich, ob diese Tomatenkopfsache eine Nebenwirkung von zu viel Navin ist. Fast wie eine Krankheit und er ist der Auslöser. Nach dem Kuss am Bach hatte Rumer eine ähnliche Gesichtsfarbe. Bin ich die einzige die immun dagegen ist?! Naja, ich glaube eher, dass Dereck mein Heilmittel ist.
>>Ich..Ähm..Weißt du..Ich..Das Frühstück ist bestimmt schon fertig. Lass uns mal nachsehen.<< Sie dreht sich schon um und geht. Danke. Lassen mich heute wirklich alle allein?
Die Sonne glüht heute in vollen Zügen über die Lichtung. Das Zelt steht glücklicher Weise in der Sonne. Dann wird es heute Abend nicht so kalt werden. Wir sind zwar an einem Ort auf der Erde, wo es im Winter nicht schneit, dennoch wird es ohne Pullover nicht wirklich angenehm.
Das Frühstück ist noch nicht ganz fertig. Da mir niemand etwas von seiner Arbeit abgeben will, mache ich es mir auf der Wiese gemütlich. Im Gras zu liegen und die Sonne im Gesicht zu spüren, lässt mich für einen Moment alles andere vergessen.
Ich schrecke hoch, als mich etwas an der Nase kitzelt. Mit Mühe unterdrücke ich einen Schrei. Dereck fängt an zu lachen und ich knuffe ihn in die Seite. Erleichtert lasse ich mich zurück ins weiche Gras sinken. Er legt sich neben mich, sodass unsere Schultern sich berühren.
Auch wenn er letzte Nacht neben mir geschlafen hat, sorgen seine Berührungen bei mir immer noch für einen Gänsehautschauer.
>>Ich hab hier was für dich<< Dereck reicht mir einen kleinen Strauß mit Feldblumen. Meine Wangen erröten. Ich nehme ihm das Geschenk ab und als Dankeschön schenke ich ihm einen Kuss. Wir bleiben noch einen Moment im Gras liegen. Ich genieße das Gefühl von Glück, das mich durchströmt, in vollen Zügen.
>>Livvy, Dereck! Kommt ihr frühstücken?<< Ich sehe Willow hinterher, wie sie zurück zur Feuerstelle stapft.
>>Na dann sollten wir mal aufstehen. Mein Bauch knurrt schon den ganzen Morgen. Das ist kaum auszuhalten.<<, sagt Dereck und hilft mir hoch.
>>Oh, du armer kleiner Dereck. Hat dich niemand gefüttert?<<, erwidere ich und lache. Er schmollt und nickt. Noch immer lachend nehme ich ihn in den Arm. Er umschlingt meine Taille, hebt mich hoch und dreht mich einmal um sich.
>>So, jetzt sollten wir wirklich was essen. Sonst muss ich dich gleich noch vernaschen. Und dann wären wir beide unglücklich<<, sagt Dereck und küsst mich.
>>Dann mal los.<< Ich nehme seine Hand und ziehe ihn hinter mir her zu den anderen. Keeden hat für uns einen Platz freigehalten. Mit unseren vollen Tellern setzten wir uns neben ihn. Mein Blick schweift suchend durch die Reihen. Aber ich kann nirgends Rumer ausfindig machen. Ich schaue nochmal in die Runde. Keeden scheint das auch schon aufgefallen zu sein.
>>Sagt mal, habt ihr´ne Ahnung, wo Rumer ist? Seit gestern Abend hab ich sie nicht mehr gesehen.<< Besorgt sieht er mich und Dereck an. Wir beide schütteln den Kopf.
>>Hm. Das ist komisch. Vor allen, weil Navin auch nicht hier ist.<< Keeden versinkt in Gedanken. Aber er hat recht. Die beiden sind wirklich seit gestern Abend weg. Ich frage mich, was sie wohl gerade machen.

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