Sonntag, 10. Februar 2013

Livvy (26.)

Rumer kommt auf uns zu gestampft. Keeden folgt ihr. Beide wirken nicht gerade so, als wären sie gut drauf. Und damit ich nicht blöd angemacht werde, frage ich lieber nicht nach.
Dereck muss gerade als Haarmodell von Willow herhalten. Sie flechtet ihm die Haare. Auch wenn sie nicht gerade die Länge dafür haben. Er sitzt da und lächelt ein wenig beunruhigt darüber, was Willow mit seinen Haaren anstellt. Ich muss mir die ganze Zeit über das Lachen verkneifen.
>>Zwingt sie ihn, oder will er das?<<, flüstert mir Rumer zu.
>>Er musste sich geschlagen geben.<<, antworte ich wahrheitsgemäß. Rumer verkneift sich ihr lachen, doch Keeden, der jetzt neben ihr steht, fängt bei Derecks Anblick lauthals an zu lachen. Jetzt können Rumer und ich uns auch nicht mehr zurückhalten und prusten ebenfalls los.
Willow ignoriert unser Gegacker und flechtet fröhlich weiter neue Mini-Zöpfchen. Der einzige, der die ganze Sache nicht ganz so amüsant findet, ist das Modell persönlich. Es sitzt mittlerweile schmollend und mit verschränkten Armen in Willows "Gefangenschaft".
Es vergehen ein paar Minuten, bevor die Flecht-Meisterin ihr Versuchsobjekt mit einem "ganz okay" laufen lässt. >>Aber wehe du machst die Zöpfe raus, verstanden?! Dann gibts Ärger!<<, droht sie ihm mit funkelnen Augen. Dann dreht sie sich, zufrieden lächelnd um und geht zu ihrem ach so tollen "Freund".
Dereck steht auf und kommt mit unsicheren Schritten auf uns zu. Er macht ein Gesicht, als wäre er gerade gefoltert worden. Seine Zöpfchen fallen kreuz und quer über seinen Kopf.
>>Sieht es sehr schlimm aus?<< Fragend sieht er uns an.
>>Also wenn du mich fragst, das solltest du öfter so tragen. Das bringt deine Weiblichkeit so richtig schön zur Geltung!<<, stachelt Rumer ihn an. Keeden fängt an zu lachen und Dereck grillt ihn mit seinem Blick. Doch er fängt sich schnell wieder. Er setzt ein hochnäsigen Gesichtsausdruck auf und betrachtet Rumer ein wenig herablassend.
>>Danke meine Liebe. Ich bin sehr erfreut das zu hören. Aber du solltest dich mal lieber nach einem Bad umsehen.<<, sagt Dereck gespielt weiblich und lacht. Rumer schlägt ihm auf die Schulter.
>>Pass auf, was du sagst Weib!<< Rumers Augen leuchten provozierend.
>>Hey, hey. Mädels beruhigt euch.<< Keeden stellt sich schlichtend zwischen die beiden. Oh man. Wo gibt es schon besseres Entertaintment, als hier bei meinen Freunden.
>>Jetzt mal ehrlich Dereck. Willst du jetzt den ganzen Tag mit dieser...Frisur... rumlaufen?<< Keeden sieht ihn mit einem belustiged Blick an.
>>Wieso? Findest du die etwa nicht hübsch?<< Gespielt entsetzt schmollt Dereck vor sich hin.
>>Also um ehrlich zu sein, nein. Ich muss mir schon die ganze Zeit einen Kotzkrampf zurückhalten. Und deiner Flamme scheint die Frisur auch nicht zu gefallen.<< Hat Keeden mich gerade ernsthaft als Derecks Flamme bezeichnet? Meine Wangen erröten. Rumer fängt an zu lachen.
Derecks und mein Blick treffen sich. Seine grau-grünen Augen fesseln mich und ihm scheint es umgekehrt genauso zu ergehen.
Rumers Lachen verstummt. Für einen Augenblick herscht Stille. Doch dann räuspert sich Rumer.
>>Ich denke, wir sollten mal besser nach Willow sehen, bevor ihr noch etwas passiert.<< Sie schnappt sich Keeden und entfernt sich von uns. Dereck und ich sehen uns immernoch in die Augen. Nach einer gefühlten Ewigkeit breche ich das Schweigen.
>>Äh, ich denke, du solltest dir mal deine Zöpfchen rausmachen. Ich passe schon auf, dass dich Willow nicht umbringt.<<
Er lächelt mich an. Dabei kommen zwei kleine Grüpchen zum Vorschein, die meinem Herz einen kleinen Flatteranfall bereiten.
>>Ja, du hast Recht. Ich komm mir schon ziemlich albern vor.<< Unbeholfen fängt er an, eine der Flecht-Stränen auseinander zu tüdeln. Man merkt ihm an wie unerfahren er in Sachen Flechtzöpfen ist, da er geschlagene fünf Minuten damit zubringt, eine Sträne zu entwirren.
>>Wenn du so weiter machst, dann bist du erst Übermorgen fertig. Lass mich das mal machen.<<, sage ich und lache.
>>Ich hatte eben noch nie so eine Frisur. Danke.<< Er setzt sich vor einem umgestürzten Baumstamm auf den Boden. Ich setze mich darauf und beginne mit der Arbeit. Sein goldbraunes Haar ist weich und für einen kurzen Augenblick vergesse ich, dass ich eigentlich nur die Zöpfe rausmachen sollte.
>>Bin soweit. Jetzt sind deine Haare wieder ganz die Alten.<<, sage ich und tätschele ihm mit der flachen Hand auf den Kopf. Er wuschelt sich seine Haare durch, um sich zu vergewissern, dass ich auch nichts übersehen habe. Dann steht er auf und dreht sich zu mir.
>>Du bist ein Engel, danke! Du hast eindeutig was gut bei mir. Schließlich hast du mein Leben gerettet.<< Er übertreibt eindeutig.
>>Tja, was würdest du nur ohne mich tun?!<<, erwidere ich und knuffe ihm in die Seite. Er hebt mich hoch und stellt mich vor sich auf dem Boden ab. Dann wuschelt er mir durch die offenen Haare.
>>Hey, mann hör auf damit.<< Doch er hört nicht auf mich. Ich boxe ihm ein paar mal in den Bauch, doch er lacht nur. Ich schubse ihn und er fällt gespielt einen Schritt nach hinten.
>>Oh, jetzt wird hier aber jemand aggresiv. Muss ich jetzt Angst kriegen?!<< So so, dieses süße Kerlchen will mich also provozieren. Doch bevor ich ihn nochmal knuffen kann, schnappt er sich mich dreht mich um, nimmt mich in seine Arme und schleudert mich mehrmals in die Runde. Jetzt lachen wir beide und als er michwieder auf dem Boden abstellen verliere ich mein Gleichgewicht und falle hin. Dabei ziehe ich ihn mit mir und er landet halb auf mir im weichen Gras.
Noch etwas außer Atem von rumgealber vorhin, sehen wir uns in die Augen. Er lächelt mich an. Sein Blick wirkt auf einmal so liebevoll. Er beugt sich zu mir runter und unsere Lippen berühren sich. Mein Herz fängt an schnell und unregelmäßig zu schlagen. Seine weichen Lippen und meine verschmelzen und die Welt um uns herum scheint still zu stehen.
Nach endlos erscheinender Zeit lösen sich unsere Lippen von einander und Dereck legt sich neben mich ins Gras. Ich drehe mich noch leicht zittrig zu ihm um. Er lächelt mich mit seinem Grüpchen-Lächeln an. Ist das gerade wirklich passiert oder träume ich nur? Mein Kopf ist zu verwirrt um klar zu denken, also versuche ich es erst gar nicht.
>>Ich glaube, wir sollten mal zu den anderen gehen. Es dämmert schon<< Derecks Stimme holt mich zurück in die Realität. Haben wir wirklich den ganzen Nachmittag hier auf dem Boden gelegen? Ich ergreife seine Hand und er hilft mir auf die Beine. Ich muss mich einfach nochmal vergewissern.
>>Das war doch kein Traum oder?<< Bitte sag, dass es kein Traum war. Er lächelt mich an und legt seine Hände liebevoll auf meine Wangen.
>>Nein, zum Glück nicht.<< Schon wieder Herzrasen. Ich wundere mich, dass es überhaupt noch schlägt nach dem Tag heute. Derecks Hand umschlingt meine und er zieht mich mit sich zu einem Lagerfeuer, dass gerade von den Ausgestoßenen entzündet wird.
Rumer sieht uns und lächelt wissend. Sie sitzt auf einem der Baumstumpfe, die als Bänke um das Feuer platziert wurden. Dereck und ich nehmen neben ihr platz.
Als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, haben alle Ausgestoßenen ebenfalls ihre Plätze eingenommen. Wir werden ausgefragt, was wir in der Zeit zwischen der Flucht und den heutigen Tag gemacht haben. Einer nach dem anderen von uns Vieren erzählt seine Geschichte. Nachdem wir mit dem Beantworten der Fragen fertig sind, wird der Spieß nun umgedreht.
>>Ist das Labor immer noch am experimentieren?<<, will Rumer wissen.
>>Ja, und so wie es scheint, werden sie das auch nicht aufgeben. Trotzdem seid ihr bisher die Einzigen mit positivem Resultat.<<, antwortet Stirn-Hand-Kerlchen.
Neben mir zieht Rumer scharf die Luft ein. Ich drehe mich zu ihr. Ihr Körper wirkt auf einmal angespannt und verkrampft. Ihre zitternden Hände ballt sie zu Fäusten. Auf einmal springt sie auf und schreit: >>Wir müssen diese verschissenen Mistkerle stoppen!<<

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen