Mittwoch, 13. März 2013

Rumer (33.)

Um einen klaren Kopf zu bekommen, bin ich jagen gegangen, doch leider ist die Zeit viel zu schnell vergangen und so befinde ich mich mittlerweile wieder mit voller Jagdtasche im Lager der Ausgestoßenen. Zwei Hasen, drei Wildhühner und eine Gans hatten das Pech meinen Weg zu kreuzen und sind meiner Frustration zum Opfer gefallen.
Dabei ist heute so ein schöner Tag. Viel zu gut, um die ganze Zeit schlechte Laune zu haben, aber ich kann es nicht ändern. Nachdem ich Keeden geküsst habe, habe ich mich schnell umgezogen, mir meinen Bogen geschnappt und dann fluchtartig das Lager verlassen. Es war so unglaublich dumm von mir gewesen ihn zu küssen, dass ich meinen Kopf am liebsten mit voller Wucht gegen einen Baum geschlagen hätte, aber ich habe es gelassen, aus Angst einen Gehirnschaden davon zutragen. Wobei das vielleicht gar nicht so schlimm gewesen wäre.
Obwohl ich dann wohl nichts von Livvy Allergieschock, oder was auch immer das ist, mitbekommen hätte. Ich hab sie zwar nur im Zelt schlafen sehen, aber sie hatte ziemlich heftige Schweißausbrüche.
>>Hey Rumer, alles klar?<<, fragt Chazz, der sich neben mich setzt und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
>>Klar. Alles bestens. Ich hab nur gerade... nachgedacht. Hab ziemlich scheiße gebaut.<<, gestehe ich und lehne meinen Kopf an seine Schulter.
>>Jungsprobleme?<<, flüstert Chazz und lacht.
>>Woher weißt du das?<<, will ich wissen und sehe ihn misstrauisch an.
>>Na, weil Keeden diesen Navin da gerade mit Blicken toastet.<< Chazz kann sich vor lachen kaum noch auf dem Baumstumpf halten. Ich riskiere einen kurzen Blick in die Richtung, die ich die ganze Zeit mit voller Absicht ignoriere, weil meine beiden Probleme da rumhängen. Und tatsächlich. Keeden wirft Navin die ganze Zeit finstere Blicke zu. Also scheint der Kuss wohl doch nicht so viel Wirkung gezeigt zu habe, wie ich gehofft habe.
>>Fuck.<<, fluche ich und vergrabe mein Gesicht in den Händen.
Chazz legt mir einen Arm um die Schulter. >>Keine Sorge. Das wird schon wieder. Früher oder später. Obwohl wohl nicht gesund für die beiden ist, so dicht beieinander zu sein, noch dazu wenn du in der Nähe bist.<<
Da hat er wahrscheinlich recht. Aber was soll ich machen? Es gibt jetzt wichtigere Probleme, um die ich mich zu kümmern habe. Zum Beispiel, wie Navin und ich noch mehr Verbündete bekommen, um das Labor zerstören und die Kinder retten zu können. Hier werden wir wohl keine Unterstützung finden.
>>Wir werden fort gehen.<<, flüstere ich. Chazz sieht mich verwirrt an.
>>Wie meinst du das?<<
>>Navin und ich. Wir werden aufbrechen und uns ich Richtung Nevulog aufmachen und dort nach Leuten suchen, die Interesse haben könnten uns zu helfen. Vielleicht die Eltern der Kinder.<<, erkläre ich mein Vorhaben und stehe auf.
>>Das könnte eine gute Idee sein.<<, murmelt Chazz zustimmen. Also ich gehen will, packt er mein Handgelenk. Ich sehe ihn fragend an. >>Rumer, du genießt mein vollstes Vertrauen und meine Unterstützung. Ich werde versuchen hier noch einige zu überreden euch zu helfen. Richtung Norden, in der Nähe eines Sees befindet sich das alte Lager der Ausgestoßenen. Dort werden wir uns in einem Monat treffen. Folge dem Flussverlauf. Du wirst an zwei Flussgabelungen angelangen. Halte dich immer links.<<
Chazz will mir tatsächlich helfen. Wusste ich doch, dass es wenigstens einige geben muss, die kämpfen wollen. Ich nicke dankbar und er lässt mein Handgelenk los. Ohne auf Keedens bohrende Blicke zu achten, gehe ich auf Navin zu und setze mich neben ihn.
>>Was steht an?<<, fragt er und beobachtet weiterhin das Feuer.
>>Ich werde aufbrechen. Chazz versucht noch hier ein paar Verbündete zu finden und trifft mich in einem Monat beim alten Lager der Ausgestoßenen. Wirst du mich begleiten?<< Innerlich drücke ich die Daumen, denn ich bin mir nicht sicher, ob Navin schon bereit ist so bald in Krieg zu ziehen. Es könnte sein, dass wir da nicht mehr lebend rauskommen und er hat ja auch noch seine kleine Schwester.
>>Du kannst auf mich zählen. Wir sollten noch ein paar Sachen packen. Sagen wir, dass wir uns in einer Stunde bei den Feldern treffen.<< Ich nicke und er macht sich auf dem Weg zu seinem Zelt.
Als ich gehen will, um meine eigenen Sachen zusammen zu suchen, kommt Dereck mir entgegen. Er war wahrscheinlich gerade bei Livvy. Die beiden scheinen glücklich zu sein.
>>Ru! Das bist du ja. Ich wollte gerade zu dir.<<, meint er und bleibt stehen.
>>Wieso? Was ist los? Ist was mit Liv?<<
>>Sie will dich sprechen.<<
Das habe ich befürchtet. >>Ist gut. Ich gehe zu ihr. Kannst du dich um Keeden kümmern? Ich glaub er kann jetzt seinen besten Freund gebrauchen.<< Dereck versteht den Wink und geht weiter zum Lagerfeuer.
Beim Zelt angelangt, atme ich noch einmal tief durch, bevor ich hineingehe. Livvy liegt in ihren Schlafsack eingewickelt auf dem Boden und sieht mich an. >>Da bist du ja.<<, sagt sie und setzt sich mühsam auf.
>>Wie geht es dir?<<, frage ich und fange an meine Tasche zu packen, was nicht sehr lange dauern wird, weil ich nicht viel ausgepackt habe.
>>Schon etwas besser. Aber noch nicht gut.<<
Ich kann ihr meine Pläne nicht verheimlichen. Auch wenn wir in letzter Zeit wenig gesprochen haben. Sie hat ein Recht es zu erfahren. >>Hör mal ich muss dir etwas sagen.<< Sie lauscht aufmerksam während ich ihr von meinen Plänen erzähle. Von dem alten Lager der Ausgestoßenen, dem Weg dorthin und der Tatsache, dass ich nur Navin mitnehmen werde.
>>Nein! Ich komme mit! Wenn du gehst, gehe ich auch!<<, beharrt sie.
>>Liv. Du bist nicht in der Verfassung, um schon wieder wochenlang durch die Wildnis zu irren. Werd erstmal gesund. Dann könnt ihr nachkommen. Ich werde euch den Weg mit Schnur markieren. Achte einfach auf Bäume, an denen soein Band hängt, dann seid ihr auf den richtigen Weg.<< Ich zeige ihr eine Rolle mit grünem Band, dass ich immer zum Fallen stellen dabei habe. Mir ist klar, dass Dereck sie nicht alleine gehen lassen wird und dann wird Keeden sicherlich auch mitkommen. Das heißt Navin und ich werden vielleicht gar nicht so viel Zeit haben unsere Pläne zu schmieden, wie ich dachte.
>>Na schön. Aber wehe du vergisst es. Ich will ich dich nicht schon wieder jahrelang suchen müssen, nur weil du zu dämlich bist den Weg zu kennzeichnen, klar?!<< Liv meint es toternst. Das ist nicht zu überhören.
>>Verstanden.<<, antworte ich, schnappe mir meine nun gepackte Tasche und gehe wieder nach draußen.
>>Bis bald, Ru.<<, flüstert sie noch, bevor ich den Reißverschluss des Zeltes schließe.
>>Bis bald.<<, murmele ich, obwohl sie es nicht mehr hört.
Navin erscheint pünktlich am vereinbarten Treffpunkt.
>>Bist du bereit?<<, fragt er und schultert seinen Rucksack.
>>Bereit!<<, bestätige ich.
Jetzt gibt es kein zurück mehr!

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